Wolfsburgs FIFA-Meister kickt beim FC Bensheim

04. Januar 2016 · Masterplan · von: Ronny Zimmermann

E-Sportler trifft Fußballprofi: Bendikt Saltzer (rechts) zockt mit Robin Knoche. Foto: VfL Wolfsburg

Als Amateurfußballer bei einem Bundesligisten unterschreiben? Davon träumt jeder Kicker. Benedikt Saltzer hat es geschafft. Eigentlich kickt er für den FC 07 Bensheim in der Gruppenliga Darmstadt. Aber seit diesem Jahr steht er gleichzeitig beim VfL Wolfsburg unter Vertrag. Allerdings nicht als Stürmer oder Mittelfeldmotor, sondern als E-Sportler. Der 23-Jährige zockt das Videospiel FIFA. Und zwar so gut, dass er im Mai die Deutsche Meisterschaft gewann. Virtuelles Können trifft Fußballrealität.

Der VfL Wolfsburg ist ein Vorreiter auf diesem Gebiet und schmiedet mit Saltzer gemeinsame Pläne. Der Lehramtsstudent (Sport und Physik) muss sein doppeltes Fußballerleben gut strukturieren. Im Interview mit FUSSBALL.DE erzählt Benedikt Saltzer, wie das geht.

Herr Saltzer, was macht Ihnen am meisten Spaß: An der Uni studieren, FIFA zocken oder Amateurfußball?
Benedikt Saltzer: Das ist echt schwer. Alles hat seine Vorzüge. Aber das Mannschaftsgefühl im realen Fußball ist etwas ganz Besonderes. Die Stimmung im Team, wenn man gemeinsam gewinnt, ist überragend. An der Konsole bin ich dagegen meist als Einzelspieler aktiv. Insgesamt schlagen Zocken und Kicken die Uni, aber es ist mir trotzdem sehr wichtig, ein sicheres Standbein aufzubauen. Ich würde auf keinen der drei Bereiche verzichten wollen.

Mit diesen drei Tätigkeiten ist Ihr Alltag sicherlich gut ausgelastet. Wie sieht Ihr Tagesablauf aus?
Saltzer: Der komplette Vormittag gehört dem Studium. Ich belege allerdings nicht ganz so viele Seminare, damit ich genügend Freiraum für die anderen Sachen habe. Mit dem FC 07 Bensheim trainieren wir dreimal pro Woche – das entspricht Verbandsliganiveau. Dazwischen bleibt noch etwas Zeit für das Zocken. Zudem gehören die verbleibenden zwei Nachmittage der Konsole. Oder manchmal auch der Freundin. (lacht)

Wie intensiv müssen Sie denn am Computer trainieren, um zu den Besten in Deutschland zu zählen?
Saltzer: Früher waren Computerspiele ein reines Hobby für mich, inzwischen ist daraus eine große Leidenschaft geworden. Ich trainiere immer wieder verschiedene Aufstellungen und bestimmte Spielzüge. Die Parallelen zum realen Fußball sind verblüffend. Teilweise bereite ich mich auch gezielt auf einen Gegner in der virtuellen Liga vor. Im März 2016 beginnt die neue Runde. Mein Ziel ist es, wieder ganz vorne mitzumischen.

Das Thema E-Sport wird immer populärer. Mit dem VfL Wolfsburg hat Sie inzwischen sogar ein Bundesligist unter Vertrag genommen. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Saltzer: Der VfL Wolfsburg verfolgt den E-Sport-Sektor schon seit längerer Zeit mit viel Interesse. Anfang des Jahres wurde es dann konkret: Ich hatte in der virtuellen Liga gut aufgespielt und bin Deutscher Meister geworden. Dann kam ich mit dem VfL in Kontakt. Der Verein hat erkannt, dass im E-Sport viel Potenzial steckt. Das wollen wir gemeinsam nutzen – ohne heute konkret wissen zu können, wie sich E-Sport entwickeln wird. Der VfL ist ein Vorreiter auf dem Gebiet.

Sie erklären Trainer Dieter Hecking seine Taktik am PC, zocken mit Nationalspieler Max Kruse – oder wie darf man sich die Zusammenarbeit überhaupt vorstellen?
Grundsätzlich repräsentiere ich den VfL Wolfsburg auf allen E-Sport-Turnieren, an denen ich teilnehme und trage natürlich grün-weiß. Der Verein bindet mich im Rahmen seiner Heimspiele häufig ein, auch in Berlin beim DFB-Pokalfinale haben wir eine gemeinsame Aktion umgesetzt. Neulich konnte ich sogar für Sky bestimmte Szenen aus dem Wolfsburger Spiel nachstellen und wurde live aus der Volkswagen Arena in den TV-Vorbericht geschaltet. Die Zusammenarbeit ist also sehr facettenreich.

Können Sie sich vorstellen, dass ein Fußballprofi noch besser wird, wenn er beispielsweise taktische Dinge an der Konsole trainiert?
Saltzer: Warum nicht? Das ist ein sehr interessantes Feld. Wenn man selbst aktiv wird und spielerisch handelt, verarbeitet das Gehirn den Lernstoff wesentlich effektiver. Ich glaube schon, dass E-Sport helfen kann, um etwa taktische Elemente besser zu erwerben. Oder um gewisse Spielsituationen mal aus einem anderen Blickwinkel zu sehen.

Sie selbst spielen in der 7. Liga, der Gruppenliga Darmstadt. In 18 Partien haben sie zehn Tore für den FC 07 Bensheim geschossen. Es scheint, als würden Sie auf den Amateurplätzen vom E-Sport profitieren.
Saltzer: (lacht) Ich bin Stürmer, da muss ich einfach Tore erzielen. Im Ernst: Wir haben ein gutes Team, sind derzeit sogar Tabellenzweiter. Ich kicke seit zehn Jahren in Bensheim und mir macht es riesig Spaß. Der Verein toleriert auch, wenn ich wegen meines anderen Hobbys am Wochenende mal fehle.

Wenn Sie frei entscheiden dürften: Wie würde Ihr Alltag in zehn Jahren aussehen?
Saltzer: Wahrscheinlich werde ich als Lehrer arbeiten – und noch immer mit viel Leidenschaft FIFA spielen. Insgeheim wünsche ich mir, dass der E-Sport-Sektor weiter wächst. Vielleicht ziehen die Tagesturniere bald noch mehr Zuschauer an, vielleicht hilft die virtuelle Spielwelt im realen Trainingsbetrieb, vielleicht gibt es irgendwann eigene E-Sport-Koordinatoren. Ich vermute, dass zumindest schon 2016 andere Vereine nachziehen und wie der VfL Wolfsburg erste Spieler unter Vertrag nehmen werden. Die Entwicklung ist rasant.