Schiedsrichter-Lehrwart Schröter: „Allen kann man es nicht Recht machen“

18. August 2019 · Top-News · von: mag

Ein Thema, das im Fußball immer für Diskussionen sorgt, sind die Entscheidungen der Schiedsrichter, auch wenn Sie im Profibereich von Videoschiedsrichterassistenten unterstützt werden. Trotz aller Regulierungen gibt es immer noch Grauzonen, die man in mehrere Richtungen auslegen kann. Verbandschiedsrichterlehrwart Andreas Schröter erklärt Matthias Gast (Referent Öffentlichkeitsarbeit) Neuigkeiten aus dem Regelwerk.

Hessens Top-Schiedsrichter Tobias Stieler. Foto: getty images

Was halten Sie vom VAR, dem sogenannten Videoschiedsrichter, und dessen Umsetzung?
Der VAR ist in allen Bereichen, in denen es faktische schwarz/weiß Entscheidungen gibt, sinnvoll. Auch bei Entscheidungen, die der Schiedsrichter nicht wahrgenommen hat, ist der Einsatz wertvoll. Bei Ermessensentscheidungen - und das sagt der Begriff ja – kann es durchaus vorkommen, dass bei zwei Entscheidern unterschiedliche Ermessensspielräume angelegt werden. Deshalb ist es so wichtig, die Schiedsrichter auf eine einheitliche Linie zu schulen. Und eins sollte auch bedacht werden: Genauso wie die Entscheidungen auf dem Platz vom einen bejubelt und vom anderen kritisiert werden, ist es auch mit Entscheidungen des VAR. Allen kann man es nicht Recht machen.

Welche Regeländerungen gibt es zur neuen Saison?
In den vergangenen Jahren gab es immer eine Reihe von Regeländerungen, die sich auch in diesem Jahr fortsetzen. Sichtbar für alle wird sicherlich die Änderung bei den Spielfortsetzungen Abstoß und Freistoß aus dem Strafraum heraus sein, bei dem der Ball jetzt sofort im Spiel ist, wenn er sich bewegt hat. Vorher musste er erst den Strafraum verlassen, was jetzt nicht mehr nötig ist. Zudem wurde klar definiert, wie viel Abstand die gegnerischen Spieler von einer Mauer einhalten müssen, nämlich ab einer Drei-Mann-Mauer einen Meter von jeder Seite. Ebenfalls sichtbar wird die Möglichkeit zur persönlichen Bestrafung von Betreuern und Trainern sein. Sie können also jetzt auch mit gelben und roten Karten belegt werden, wenn sie sich entsprechend unsportlich verhalten. Darüber hinaus wurde die Handspielregel in einigen Teilen klarer formuliert, was aber nicht bedeutet, dass es nicht auch noch Entscheidungen im Graubereich geben wird. Klar ist allerdings, dass Mannschaften kein Tor mehr mit der Hand erzielen dürfen - ausgenommen Eigentore -, egal ob es ein absichtliches Handspiel war oder nicht.

Welche Lösung halten Sie beim Handspiel für die Beste?

Wir sind beim Handspiel einen Schritt weiter in Richtung der einheitlichen Anwendung gekommen. Ich würde das auch jetzt erst einmal als gegeben ausprobieren. Wir sollten – auch im Sinne der Schiedsrichter – keine Wissenschaft aus dem Handspiel machen. Vergleichssituationen sollten als Standards herangezogen werden, was zu ahnden und was nicht zu ahnden ist. Wenn wir jetzt mit dem Zentimetermaß Hand anlegen, werden wir sicherlich noch mehr Diskussionen haben. Ich vertraue da auf die aktuellen Vorgaben, auch wenn der eigentliche Regeltext die Sache eher erschwert. Aber dafür gibt es ja Schulungen, die wir den Schiedsrichtern anbieten.

Welche zusätzliche neue Regel würden Sie einführen?

Ich würde mir drei Änderungen wünschen: Erstens glaube ich, dass die Zehn-Minuten-Zeitstrafe, wie sie in den 1990er Jahren praktiziert wurde, zu mancher Abkühlung eines Spielers beigetragen hat. Das ist eine sinnvoll angewandte Disziplinierung mit Bewährungseffekt.
Zweitens werden die gelben Karten eigentlich nicht richtig gewürdigt. Hier sollte - analog der Bundesliga – eine Spielsperre nach einer gewissen Anzahl von Karten in der Saison erfolgen. Teilweise wird man als Schiedsrichter belächelt, wenn man in der 90. Minute wegen Zeitspiels oder ähnlichem einem Spieler eine Verwarnung geben muss, wohlwissend, dass diese keine Konsequenzen hat.
Drittens würde ich den Strafstoß modifizieren. Das ist die härteste Spielstrafe. Da sollte - wie bei der Entscheidung zum Elfmeterschießen - nur der Schuss gewertet werden. Geht er rein, wird das Tor gewertet - geht er nicht rein, gibt es automatisch Abstoß. Ohne Nachschuss ist die Thematik des zu frühen Reinlaufens von Spielern auch vom Tisch. Ansonsten lebt der Fußball eigentlich von der Einfachheit, das sollte auch so bleiben. Doch leider gibt es immer mehr Ausnahmen im Regelwerk, die uns Schiedsrichter dann etwas ins Grübeln bringen.
Vielen Dank für das Gespräch!