Mit 71: Keeper Fucker wechselt in Kreisliga B

03. August 2017 · Top-News · von: Nils Jewko

Nein, ganz normal ist Bernd Fucker nicht. „Viele erklären mich für verrückt oder sagen, dass ich ein Rad ab habe“, meint er selber. Der Grund: Im Alter von 71 Jahren hat er noch einmal den Verein gewechselt. Nicht bei den Alten Herren, nicht in einer Freizeitmannschaft, sondern bei den Aktiven. Dort, wo es jedes Wochenende in der Meisterschaft um Punkte geht und seine Gegenspieler in der Regel zwischen 18 und 35 Jahre alt sind. Damit ist Bernd Fucker einer der ältesten aktiven Torhüter in ganz Deutschland.

Warum nicht noch mal den Klub wechseln? Bernd Fucker steht im Alter von 71 Jahren im Tor des FC Eintracht Oberrodenbach. Foto: privat

Weit hat es Bernd Fucker nicht. Nur über die Straße müsse er laufen, erzählt er im Gespräch mit FUSSBALL.DE . Dann ist er schon da. Am Platz seines neuen Vereins, der zweiten Mannschaft des FC Eintracht Oberrodenbach in der Kreisliga B. Der Mann aus der hessischen Gemeinde ist stolz. Stolz, dass er einer der ältesten aktiven Torhüter Deutschlands ist. Stolz, dass er immer noch nach Bällen hechten und Stürmer zur Verzweiflung bringen kann. Auch, wenn seine Mit- und Gegenspieler aus einer anderen Generation stammen. „Ich könnte fast vom gesamten Team der Opa sein“, sagt Fucker mit einem Lachen.

Natürlich ist nicht mehr alles so wie früher. Der 71-Jährige macht keine Waldläufe mehr, auch die Strafrunden, zu die der Trainer die Mannschaft manchmal verdonnert, überlässt er gerne seinen Teamkollegen. „Ich mache meine Torwart-Arbeit. Damit habe ich genug zu tun“, erklärt Fucker. Aktuell trainiert er drei Mal die Woche. Nebenbei räumt er noch Regale in einem Supermarkt ein. Doch damit ist jetzt Schluss. Fucker hat vor einigen Tagen gekündigt, ihm fehlt die freie Zeit am Nachmittag. „Ich will in Ruhe meine Füße ausstrecken und mit meiner Frau einen Kaffee trinken“, sagt der Schlussmann.

Noch lieber stehen sie aber gemeinsam auf dem Fußballplatz. Bei den D-Junioren der JSG Rodenbach trainiert Fucker den Torwartnachwuchs. Die Trainerin der Mannschaft: seine zweite Ehefrau Gabi. Sie teilt seine Leidenschaft zum Fußball, anders als seine erste Ehefrau. Damals, im Alter von 27 Jahren, kommt sein erster Sohn zur Welt. Fortan ist der aktive Fußball für Fucker tabu. „Das hat wehgetan“, erinnert er sich an die Zeit zurück.

Dass er heute überhaupt noch zwischen den Pfosten stehen kann, ist nicht selbstverständlich. Vor zehn Jahren muss sich Fucker einer schweren Darmoperation unterziehen. Zwischenzeitlich ist er klinisch tot, muss wiederbelebt werden und liegt anschließend zwei Wochen im künstlichen Koma. 19 Bluttransfusionen später ist seine Leidenszeit irgendwann zu Ende. „Das hat meinen Körper total verändert“, sagt Fucker voller Überzeugung. „Mit 60 Jahren hatte ich nach einem Spiel Schmerzen und wollte am nächsten Tag nicht aufstehen. Jetzt habe ich keinerlei Probleme. Deswegen spiele ich überhaupt noch.“

Ein bisschen Zufall ist auch dabei. 2013 wechselt Fucker zum SV Neuses – in die Altherren-Mannschaft. Plötzlich, an einem Wochenende, soll er dann bei den Aktiven ins Tor – nur aushelfen, heißt es zu Beginn. Doch Fucker überzeugt, am Ende der Saison verbucht er 17 Einsätze. „Durch meine Erfahrung, Übersicht und mein Stellungsspiel bin ich noch besser als viele junge Torleute“, sagt Fucker völlig unbescheiden.

Das will er auch in Oberrodenbach beweisen. Auch, wenn ein kleiner Umweg hinter ihm liegt. Eine Saison ohne ein Pflichtspiel. 2016 führt sein Weg zur Inklusionsmannschaft der SG Bad Soden , die unter anderem von der ehemaligen deutschen Nationalspielerin Pia Wunderlich trainiert wird. Doch Fucker verpasst die Wechselfrist, wird bis Dezember gesperrt und hat zur Rückrunde neue, junge Konkurrenten um den Platz zwischen den Pfosten. „Ich muss mich nicht mehr gegen zwei 20-Jährige beweisen“, sagt Fucker.

Er verlässt den Verein und schließt sich Oderrodenbach an. „Ich wohne direkt am Platz und spiele jetzt sogar eine Klasse höher“, meint Fucker. Ob und wie oft er in der B-Liga zum Einsatz kommen wird, ist noch unklar. „Ich will einfach so viele Spiele wie möglich machen und dabei gesund bleiben“, betont Fucker. Der Klub plane mit ihm vor allem als Torwart bei Auswärtsspielen.

Torwart wollte er sowieso schon immer werden. Ganz wie sein Vater, der in der Gauliga gegen Vereine wie den 1. FC Nürnberg spielte. Fucker erzählt gerne von den alten Zeiten. Wie er seine Jugendzeit beim FC Hanau 1893 , dem ältesten Fußballverein Hessen, verbrachte. Wie er sich selbst Knieschoner nähte. Oder wie er mit Rudi Völlers älteren Bruder Dieter auf der Straße kickte, während der spätere Weltmeister daneben im Kinderwagen lag.

Einziges Manko: Die Zeit sei zu kurz gewesen. „Ich habe einiges nachzuholen, was ich damals versäumt habe“, sagt Fucker. Skeptiker gibt es kaum. Nur ein Spieler aus seiner neuen Mannschaft hat im Training leise Zweifel geäußert. Den werde er in den Spielen aber auch noch überzeugen, sagt Fucker. Ab nächster Woche kann er damit beginnen. Dann startet für die zweite Mannschaft von Eintracht Oberrodenbach die Saison mit einem Spiel gegen Germania Großkrotzenburg II.

Nach dieser Saison will Fucker die Fußballschuhe dann jedoch endgültig an den Nagel hängen. „Ich habe jedes Jahr gesagt, dass ich noch ein Jahr dranhänge. Mit 72, also nach dieser Saison, ist aber Schluss.“ Ganz sicher kann man sich da beim ältesten, aktiven Torwart Deutschlands auch nach dieser Aussage nicht sein.