Hoher Besuch bei Darmstädter Schiris

19. März 2013 · Schiedsrichter · von: Michael Imhof

Referent Bernhard Gutowski, Foto: privat

Einen weitgereisten Referenten konnte Kreislehrwart Christian Ude im März bei der Pflichtsitzung begrüßen: Bernhard Gutowski aus dem Kompetenzteam des DFB-Schiedsrichterausschusses hatte den weiten Weg aus der Nähe von Wangen im Allgäu nach Darmstadt angetreten, um vor den Darmstädter Schiedsrichtern über Gewalt- prävention sowie die Schiedsrichterpersönlichkeit zu sprechen.

Seinen kurzweiligen Vortrag begann er mit dem Statement, dass Untersuchungen gezeigt hätten, dass – auch wenn in den Medien vermehrt über Gewalt berichtet werde – die Anzahl an gewalttätigen Auseinandersetzungen gegenüber früher gleich geblieben sei, ledig- lich die Härte habe deutlich zugenommen.

Gutowski unterschied dabei drei Arten von Gewalt: psychische, körperliche und strukturelle, zu der er Beleidigungen und Diskriminierungen zählte. Die Ursachen sieht er vorwiegend in mangelnder Erziehung und vor allem im Jugend- bereich bei übermotivierten Eltern und der Eigenschaft, nicht mehr verlieren zu können. So habe gerade eine Befragung zahlreicher Jung-Schiedsrichter gezeigt, dass für sie vor allem die Einschüchterung durch Eltern oder Trainer und Betreuer das größte Problem darstellt.

Gutowski sieht vor allem zwei Möglichkeiten, dieser Probleme Herr zu werden: Zum einen fordert er, wie es Professor Pilz von der Universität Hannover schon seit Jahrzehnten tut, härtere Strafen. Zumindest in Württemberg scheine man die Zeichen der Zeit erkannt zu haben. So berichtete Gutowski von mehreren Verfahren gegen Spieler und Trainer, die im Falle von Körperverletzungen mit Geldstrafen in fünfstelliger Höhe und Bewährungsstrafen belegt worden sind. Nur das hilft – oder, wie es Prof. Pilz ausdrückt: „Wenn Fair-Play zu einem reinen Abwägen von Kosten und Nutzen wird, dann müssen die Kosten eben so hoch gesetzt werden, dass sich unfaires Verhalten nicht mehr lohnt.“

Der zweite Hebel ist eine gute Ausbildung der Schiedsrichter: So verwendete Gutowski in seiner Aufzählung der wesentlichen Persönlichkeitseigenschaften eines guten Unparteiischen nahezu wortgleich die Attribute, die auch der Kreis Darmstadt vor Jahren in seinem Konzept zur ganzheitlichen Schiedsrichterausbildung aufgelistet hatte: Konflikt- fähigkeit, Konfrontationsfähigkeit, Wahrnehmungsfähigkeit, aktive und passive Kritikfähigkeit, Stressstabilität, eine geringe Aggressivität und Beeinflussbarkeit, aber auch Verhaltensflexibilität und zunehmend interkulturelle Kompetenz.

So werde in Mitteleuropa ein Körperabstand von weniger als eineinhalb Metern als unangenehm empfunden, während im Südosten Europas eher der Körperkontakt gesucht werde. Darauf müsse sich ein Schiedsrichter einstellen können – und sich eine bestimmte Methodenkompetenz aneignen, die neben der Fachkompetenz und der Sozialkompetenz zu den Kernkompetenzen eines guten und erfolgreichen Schiedsrichters gehöre. Während man Fach- und Methodenkompe- tenz ausbilden und trainieren könne, hegte Gutowski in Sachen Sozialkompetenz weniger Hoffnung: „Seckel bleibt Seckel“ sage man in seiner Heimat. So sei es die Sache der Schiedsrichterausschüsse, ungeeignete Schiedsrichter auszufiltern.

Schließlich ging Gutowski noch darauf ein, wie sehr sich die Spielweise in den letzten Jahrzehnten verändert habe: Ein Franz Beckenbauer habe im Spiel im Schnitt 29 Ballkontakte gehabt und sei trotzdem in Summe länger am Ball gewesen als ein Bastian Schweinsteiger heute mit durchschnittlich 150 Ballkontakten. Kein Wunder, dass die Spieler geistig während einer Partie nur noch sehr eingeschränkt aufnahmefähig sind: Nur 7% machen Worte in der Wahrnehmung eines Schiedsrichters aus, 93% transportiert er durch Gestik/Mimik und seinen Tonfall – mehr als Dreiwortsätze kann ein Spieler in einem hektischen Spiel nicht mehr erfassen – längere Vorträge kann sich ein Schiedsrichter also getrost sparen.

Da achtet er lieber darauf, sein erweitertes Gesichtsfeld einzusetzen: Untersuchungen haben gezeigt, dass trainierte Schiedsrichter ein gegenüber Normalsichtigen um 25% erweitertes Gesichtsfeld haben. Unter Stress droht allerdings der „Tunnelblick“: Das Gehirn blendet Informationen aus, um Überforderung zu vermeiden und schränkt das Gesichts- feld um bis zu 50% ein.

Gutowski schloss seinen Vortrag mit einigen Sequenzen zu Handspielen. Nach anhaltendem Applaus setzte sich Bernhard Gutowski dann wieder ans Steuer und trat die dreistündige Heimreise an. Vielen Dank für diesen außerge- wöhnlichen Einsatz, der in Darmstadt in Erinnerung bleiben wird.