Ehrungsabend der Darmstädter Referees

22. Dezember 2014 · Schiedsrichter · von: Michael Imhof (Text&Foto)

Rainer Kumme (Mitte) wurde für 50-jährige Treue von KSO Sebastian Schaab (rechts) und seinem Stellvertreter Marco Reibold ausgezeichnet.

 

Mit einer kleinen Rede begrüßte Kreisschiedsrichterobmann (KSO) Sebastian Schaab wie jedes Jahr zahlreiche verdiente Schiedsrichter seiner Vereinigung, die für ihre Leistungen ausgezeichnet werden sollten. Er verglich dabei ein Fußballspiel mit einem Theaterstück:

„Wenn wir dem Literaturkritiker Hellmuth Karasek Glauben schenken“, so Schaab, „dann müssten wir jeden Sonntag mit Schauspielern, Maskenbildnern, Kulissenschiebern, Schneidern, Beleuchtern und einer Garderobenfrau zu tun haben. Und in der Sprecherkabine säße eine ältere Dame, die vorsagt, wenn einer mal nicht weiter weiß. Karasek sagte nämlich einmal, dass Fußball das erfolgreichste Theater der Neuzeit sei.

Was eigentlich spricht dagegen? Theater und Fußball funktionieren nur, weil hinter der Bühne eine Unmenge Arbeit geleistet wird, die das Publikum nicht sieht. Arbeit, die wichtig ist, die aber oftmals keine Würdigung findet.

Welche Rollen würden sonntags denn verteilt? Statt King Lear von Shakespeare begegneten wir dem Schwalbenkönig, statt Mephisto aus Goethes Faust dem Rentner mit dem Regenschirm, der bei jeder Entscheidung gegen sein Team kurz davor ist, selbigen gegen den Schiedsrichter oder Schiedsrichterassistenten zu werfen, statt Wilhelm Tell dem Mittelstürmer, der jeden Ball ins Netz schießt, statt der Königin der Nacht aus Mozarts Zauberflöte dem Spieler, der uns von der ersten bis zur letzten Minute eine Kassette ins Ohr drückt...

Welche Rolle aber bleibt dem Schiedsrichter? In gewisser Weise die des Regisseurs, wobei wir uns sicherlich mit den Trainern um diese Aufgabe streiten müssten. Der Regisseur ist für die Einhaltung des Textes und Ablaufes des Stückes verantwortlich, kann aber dieses natürlich auch so beeinflussen, dass das Stück einen anderen Ausgang nimmt. Das moderne Theater spricht von Verfremdung: Eine Handlung wird durch Kommentare oder Lieder so unterbrochen, dass beim Zuschauer jegliche Illusionen zerstört werden. So kann der Zuschauer der Theorie zufolge eine kritische Distanz zum Dargestellten einnehmen.

Ja, wir sind sicherlich genau dazu im Bezug auf das Spiel in der Lage, wenngleich wir es natürlich nicht mit zu viel verschiedenem Licht - also bunt - treiben sollten. Vor allem der aus dem antiken Theater bekannte Chor, dem von jeher die Aufgabe des Kommentators der Ereignisse zufiel - in unserem Fall also die Zuschauer -, wünschen nicht ihrer Illusion, die meistens durch die Vereinsbrille erzeugt wird, beraubt zu werden.

Im Übrigen: Was, so frage ich euch, wäre denn auch der Regisseur ohne die Schauspieler? Aber umgekehrt genauso: Was wären diese ohne ihn? Heute möchten wir die Bühne bieten für langjährige und verdiente Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen. Bei der Fülle von Terminen, die ein KSO wahrzunehmen hat, ist dieser Abend sicherlich einer der dankbarsten, denn ausnahmsweise hat er keine Kritik zu erwarten und er sieht nur gut gelaunte, fröhliche Gesichter.

Aber selbst wenn Kritik aufkommen sollte - ein Schiedsrichter kann damit umgehen, das wird jeder von euch bestätigen können - gerade der Kreis heute, ungemeine Schiedsrichter-Fachkenntnis: Wir ehren insgesamt für 495 Jahre geballte Schiedsrichter-Power gepaart mit der Erfahrung aus 21.400 Spielen.“