Der Darmstädter Oliver Krause blickt auf eine stolze Schiedsrichterkarriere zurück

14. Juni 2015 · Schiedsrichter · von: Michael Imhof

Oliver Krause - hier ausnahmsweise nicht in Schiedsrichterkleidung. Foto: privat

Nach 29 Jahren Gruppenliga ist Schluss

Dieter Dreher ist Darmstädter Bundesliga-Schiedsrichter als Oliver Krause (SKG Ober-Beerbach) den Weg zu den Schiedsrichtern findet: Er ist befreundet mit Drehers Sohn, der immer von den Einsätzen seines Vaters erzählt, welcher die beiden gelegentlich zu seinen Einsätzen in der näheren Umgebung mitnimmt. So ködert er sie auch mit fünf Mark, sich bei einem der legendären Frankenstein-Turniere der A-Jugend bei Germania Eberstadt an die Linie zu stellen. Es ist ein fast vorgezeichneter Weg, dass Krause 1976 mit zwölf Jahren die Schiedsrichterprüfung ablegt – mit einer Ausnahmegenehmigung, denn eigentlich sind zu der Zeit erst Schiedsrichter ab 14 Jahren zugelassen. Zwölf Jahre sind ein Alter, in dem man noch D-Jugend spielt, die Spieler wurden zu der Zeit aber erst ab der C-Jugend mit Schiedsrichtern besetzt. Die Begegnung der C-Jugend-Mannschaft des SV Hahn gegen die des Spvgg. Seeheim-Jugenheim ist denn auch sein erstes Spiel vom damaligen Ansetzer Manfred Kiebel – eine Partie, die ohne Probleme über die Bühne geht, so dass er dem nächsten Schultag am Schuldorf Bergstraße gelassen entgegen sehen kann, auf der die ganzen Spieler zwei Schuljahre weiter sind. Erst später wird die D-Jugend besetzt, kann Krause auch dort eingesetzt werden. Schiedsrichterkleidung, wie wir sie heute kennen, gibt es damals nicht, für Jugendliche schon gar nicht. Seine Oma kürzt ihm ein normales, schwarzes Oberhemd. Was es aber in Darmstadt damals bereits gibt, ist die Jung-Schiedsrichtergruppe in einer Stärke von etwa 30 Nachwuchskräften, die sich erst später verdreifacht, bis sie heute wieder auf das damalige Maß zurückgeht.

Krause hat Spaß an seinem neuen Hobby, pfeift und pfeift und pfeift. Mit 18 Jahren steigt er bereits in die heutige Kreisoberliga auf – damals die unterste Bezirksspielklasse, in die man anders als heute regulär aufsteigen muss. Mit 21 Jahren erreicht er die heutige Gruppenliga, die zu der Zeit noch die fünfthöchste Spielklasse in Deutschland ist. Das ist natürlich am Niveau der Spielklasse nicht spurlos vorüber gegangen, während es Aggressionen, so Krause, schon immer gab. Allerdings habe der Respekt vor dem Schiedsrichter deutlich abgenommen. Er selbst ist in all den Jahren allerdings nie selbst körperlich angegriffen worden – zwei- bis dreimal sei es eng gewesen, aber nie eskaliert. In einem Spiel in Wiesbaden an einem Sonntagmorgen vor seinerzeit nicht unüblichen 500 Zuschauern, habe er von hinten einen leichten Tritt abbekommen, aber war’s dann auch. Vielleicht hat ihm da geholfen, dass er ein sehr kommunikativer Schiedsrichter ist und den Spielern oft mit einem Spruch begegnet, während diese noch beim Einatmen sind und überlegen, wie sie ihre Unzufriedenheit mit der getroffenen Schiedsrichterentscheidung artikulieren sollen. Als wesentliche Eigenschaften eines Schiedsrichters nennt er aber selbst die Zuverlässigkeit und das ausgesprochene Gerechtigkeitsempfinden, das man als Schiedsrichter mitbringen müsse.

29 lange Jahre sind seit Krauses Aufstieg in die Gruppenliga inzwischen vergangen, womit er dieser Klasse länger angehört als die meisten Spieler in den Teams alt sind – nie ging es für ihn weiter nach oben, aber eben auch nie nach unten. Woran das liegt, dass er es nie in die Verbandsliga geschafft hat? „Naja“, sagt Krause, „irgendwie war jede Saison ein Ausreißer drin in den Beobachtungsergebnissen – oder halt einfach Pech.“ Das kennt jeder, der schon einmal unter Beobachtung stand: Du brauchst die richtigen Spiele und die richtigen Beobachter zur rechten Zeit. Sonst hilft’s Dir auch nichts, wie ein Weltmeister zu pfeifen. Und dieses Glück hatte Krause nicht. Auch nicht in der Saison, in der er in einem Spiel 48 von 50 möglichen Punkten erhielt – 49 hätten es sein müssen. Es zeichnet ihn aus, dass er sich trotzdem nie hat entmutigen lassen und auch nie Gefahr lief, abzusteigen. Die Schiedsrichterei, sagt Krause, sei für ihn ein Ausgleich zum anstrengenden Berufsalltag, da spiele die Spielklasse nicht die größte Rolle. Wenn er nächstes Jahr sein 40-jähriges Jubiläum an der Pfeife feiert, wird er auf dann über 3.600 dieser Ausgleiche zurückblicken – eine Zahl, die man als Schiedsrichter eigentlich gar nicht erreichen kann.

Inzwischen hat Krause seine Begeisterung an seinen Sohn Maurice Gotta weitergegeben. Der ist ausgesprochen engagiert bei der Sache und leitet mit seinen knapp 23 Jahren bereits Spiele der Verbandsliga, wird als Assistent in der Hessenliga und in der neuen Saison gar in den A- und B-Junioren-Bundesligen eingesetzt. Ob es den Vater wurmt, dass der Sohn in jungen Jahren schon geschafft hat, was ihm nie geglückt ist? „Nein“, so Krause, da überwiege eher der Vaterstolz, zumal sich Maurice seinen Aufstieg selbst erarbeitet habe, „und außerdem habe ich vor ihm ein Verbandsligaspiel geleitet!“ erklärt er mit einem Schmunzeln: „Letztes Jahr hat am Ende der Saison Gerd Schugard (der Verbandsschiedsrichterobmann, Anm. d. Red.) angerufen, und mir das Verbandsligaspiel des SSV Lindheim gegen die TS Ober-Roden angetragen. Am Spieltag war Verbandsliga-Lehrgang der Schiedsrichter, da hat wohl ein Engpass geherrscht.“ – Ein großer Vertrauensbeweis, aber auch ein verdientes Dankeschön für Jahrzehnte an Schiedsrichterleistungen auf hohem Niveau. Das war sicher einer der Höhepunkte in Krauses langer Laufbahn, aber es gab auch andere: Wie zum Beispiel das Relegationsspiel zur A-Liga an der Bergstraße zwischen der SG Waldmichelbach und Eintracht Waldmichelbach vor 1.800 Zuschauern Anfang der 90er Jahre. Rudi Mück und Markus Volk, zwei andere, heute noch aktive alte Haudegen der Vereinigung haben ihn damals an der Linie unterstützt. Oder das Freundschaftsspiel der Freunde Michael Schumachers gegen eine Prominentenauswahl mit Charly Körbel im Sommer 2008 vor 6.000 Zuschauern am Böllenfalltor mit Peter Unsleber und Nils Hallstein im Vorfeld eines Formel-I-Rennens in Hockenheim. „Ich war mit meinem Sohn gerade auf der Kart-Bahn in Groß-Zimmern, und ich stand direkt vor einem Werbeplakat für dieses Spiel, als der Anruf kam.“ lacht Krause. „Wer war das?“ wollte sein Sohn wissen. „Ich pfeif’ das Spiel.“ deutete Krause auf das Plakat. Heute denkt er beim Gedanken an das Spiel immer wieder an Michael Schumacher und daran, wie viel Glück man braucht, um gesund durchs Leben zu kommen. Und genau das ist sein Ziel. Dann steht den nächsten 3.600 Spielen nichts im Wege, auch wenn Krause jetzt im Sommer, in seinem 51. Lebensjahr, die Gruppenliga aus Altergründen verlassen muss.