Profifußball: Die Wiege der Bundesliga stand in Wiesbaden

07. Januar 2018 · Top-News · von: Rolf Lutz

Bevor die Fußball-Bundesliga im Sommer 1963 an den Start gehen konnte, waren intensive Gespräche erforderlich. Die „reinliche Scheidung“ zwischen Amateursport und Berufssport war nicht so einfach zu regeln. Der damalige DFB-Vorsitzende Peco Bauwens musste sich hartnäckiger Kritik erwehren.

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In der Presse wurde er sogar mit der Milchflasche in der Hand für das neue Baby Bundesliga verhöhnt. Nach dem Willen vieler Landesverbände sollte der Spielbetrieb in der deutschen Oberliga unverändert bleiben, erst sehr zögerlich setzte sich das neue Denken durch, wie es beispielsweise der Offenbacher Trainer Paul Osswald im Juli 1954 im HESSEN-FUSSBALL untermauerte: „Nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft  sind wir auf dem Gipfel unseres Könnens angelangt. Das reicht aber bei weitem nicht, um unsere Spitzenposition zu verteidigen. Unser derzeitiges Spielsystem schreit dringend nach einer Umformung. Wir brauchen endlich eine Bundesliga!“

Pläne gab es schon 1932
Blättert man in den Annalen des Fußballsports, wurde dieser Tage eine ganz neue Variante entdeckt. Danach stand die Wiege der Bundesliga nicht 1957 im Westen oder in Frankfurt, sondern schon 1932 in Wiesbaden. Bei Recherchen im HFV-Archiv machte HFV-Archivar Rolf Lutz diese sensationelle Entdeckung. In einem Dokument stand schwarz auf weiß: „Der Grundstein für eine kommende Bundesliga wurde 1932 beim 35. Bundestag in Hessen im Wiesbadener Kurhaus gelegt.“

Trotz heftigem Widerspruchs der Fußballverbände aus dem Süden, aus Mitteldeutschland und aus Brandenburg hatte der Westdeutsche Fußball-Verband als Initiator schon feste Vorstellungen über die spieltechnische und wirtschaftliche Seite. Die Führung der Profivereine sollte ehrenamtlich sein, die Leitung der Spiele und die Aufsicht dem DFB bzw. den Landesverbänden zugeordnet werden. Auch zur Bezahlung der Berufsspieler lagen schon konkrete Pläne vor. Das Gehalt der Spieler sollte sich zwischen 75 und in einem Höchstsatz von 300 Reichsmark bewegen. Auf höhere Spesen, die damals schon in Italien gewährt wurden, konnte man sich noch nicht einigen.

Beim Bundestag 1932 in Wiesbaden kam es trotz intensiver Beratung zu keiner Einigung. Die Westvereine ließen allerdings nicht locker. Schon im Januar 1933 legten sie konkretere Pläne zur Verwirklichung vor. Sie veröffentlichten eine „Berufsspieler-Satzung“, die später Grundlage werden sollte für die „Vertragsspieler-Satzung“. Man äußerte sich  ganz klar zur Erteilung der erforderlichen Lizenzen und beklagte massiv die „Zustände im Spitzensport“. Die logische Folge sollte sein, endlich den Berufsfußball mit einer eigenständigen Spielklasse anzuerkennen. Doch die Vorschläge aus dem Westen fanden selbst in der DFB-Vorstandssitzung am 22. Januar 1933 in Berlin keine Mehrheit. Man einigte sich lediglich auf einen Kompromiss. Dieser lautete: Die Vorschläge aus dem Westen werden beim Bundestag im Mai 1933 auf die Tagesordnung gesetzt.

Nazis verhinderten frühe Einigung
Diese Chance blieb aus politischen Gründen ungenutzt, da die Nazis nach der Machtübernahme im Januar 1933 die gesamte Struktur des Deutschen Sportes im Sinne der neuen Machthaber verändern wollten. Anstelle des angekündigten DFB-Bundestages gab es einen außerordentlichen Bundestag am 9. Juli 1933 in Berlin. Nach nur zwanzig Minuten – so wird berichtet – wurde der DFV-Vorsitzende Felix Linnemann ermächtigt, alle personellen und sachlichen Maßnahmen zur Eingliederung des Fußballsportes in das Programm des „Reichssport-Kommissars“ und die Umgestaltung des gesamten DFB vorzunehmen.

Zehn Jahre nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurden die Westvereine wieder in puncto Berufsfußball aktiv. Doch beim 47. Bundestag, der erneut in Wiesbaden stattfand, gab es wieder keinen Durchbruch. Konkrete Fortschritte brachten erst die Beratungen in einer „Zwölfer-Kommission“. Im Februar 1958 sollte in Frankfurt nach hartem Ringen der Grundsatzbeschluss gefasst werden: Ja, wir brauchen eine Bundesliga. Dieser Traum wurde endlich 1963 in die Tat umgesetzt. Und nun wissen wir auch, dass die ersten Pläne für die Bundesliga durch die Westvereine im hessischen Wiesbaden im Jahre 1932 geschmiedet wurden. Folglich kann festgestellt werden: Die Wiege der Bundesliga stand 1932 in Wiesbaden.