Interview | 10 Amateurfußball-Interview: Wie geht es dem Amateurfußball? FUSSBALL.DE hat die Vereinsvorsitzenden Ute Groth (DJK TUSA 06 Düsseldorf) und Michael Schmidt (FC Germania 08 Weil- bach, Hessischer Fußball-Verband) mit dem 1. DFB-Vizepräsidenten Ronny Zim- mermann an einen Tisch gesetzt, um genau darüber zu sprechen. Und um her- auszufi nden, was es braucht, um den Fußball an der Basis zu stärken und seine gesellschaftliche Bedeutung zu erhalten. Der erste Teil des Interviews erschien im HESSEN-FUSSBALL Oktober, hier folgt der zweite Teil. Zimmermann: Irgendwann muss man generell die Frage angehen: Hauptamt, ja oder nein? So gerne man das Ehren- amt hat. der Elternschaft gewonnen werden konnten. Wir müssen verstärkt Übungs- leiter einstellen und dafür auch bezah- len. Groth: Diese Frage haben wir uns auch gestellt. Wenn ich mir allein die ganzen Förderanträge anschaue, zum Beispiel zum Sportstättenbau: Das kann kei- ner von uns Ehrenamtlern mehr in der Freizeit neben der eigenen Arbeitszeit selbst machen. Es geht aber bei uns zum Beispiel bei einem Antrag um 200.000 Euro. Auch dafür haben wir seit 2019 eine hauptamtliche Geschäftsführerin, die wir selbst fi nanzieren. Seitdem hat sich auch unsere Mitgliederzahl erhöht. Die Mitarbeiterin ist tagsüber erreich- bar. Wenn Leute anrufen und Fragen haben, ist immer jemand ansprechbar. Das ist ein Gewinn für alle. Um fehlende Ehrenamtler zu kompensieren, haben wir Kooperationen mit anderen Ver- einen gestartet. Wir haben einen neuen 2. Vorsitzenden, der ist selbst Basketbal- ler. Der hatte Lust, ein Sportangebot im Bereich Basketball und Inklusion zu ma- chen. Wir arbeiten mit einem anderen Verein zusammen. Die Vereine bleiben separat, aber wir teilen uns die Halle, die Trainingszeiten und die Gruppe der Kin- der und Jugendlichen. Die Übungslei- ter können sich im Notfall gegenseitig vertreten. Wenn das gut funktioniert, kann man öfter über solche Kooperatio- nen nachdenken. Das müssen Vereine aus meiner Sicht auch machen, um per- spektivisch erfolgreich sein zu können. Schmidt: Es wäre schön, wenn eine sol- che Zusammenarbeit zwischen Ver- einen noch öfter gelingen könnte. Und eines dürfen wir nicht vergessen: Ein Verein hat nicht nur eine soziale Funk- tion. Er ist immer noch die günstigste Option, sein Kind zum Sport zu bringen. Groth: Beiträge werden zukünftig deutlich erhöht werden müssen. Wir haben nicht mehr die ehrenamtlichen Übungsleiter, die klassischerweise aus Zimmermann: Wenn man sich an- schaut, dass ein Mädchen einmal in der Woche einen Ballettkurs macht und hierfür im Monat 200 Euro zahlt, dann fi ndet das jeder in Ordnung. Wenn aber das gleiche Mädchen dreimal die Wo- che für zwei Stunden im Fußballverein betreut und in einer Gemeinschaft qua- lifi ziert angeleitet wird und dabei noch Teamfähigkeit und Fair Play lernt, dann wird derselbe Betrag als unglaublich hoch bewertet. Wenn du die Beiträge in einem Fußballverein anhebst, gibt es häufi g die Sorge, dass schnell 100 Leu- te austreten. Groth: Es gibt einen Verein, der ausge- rechnet hat, wie viel Mitgliedsbeitrag er braucht, damit er seine Übungslei- ter bezahlen kann. Es wurde für die El- tern und die Mitgliederversammlung genau aufgeführt, wofür die Beiträ- ge gebraucht werden. Der Tenor war: Wenn wir weiter gute Übungsleiter und Qualität haben wollen, bekommen wir sie nicht, ohne dafür zu bezahlen. Das sind teilweise Sportstudenten, die Geld verdienen wollen. Der Beitrag müsste dann von 200 auf 400 Euro im Jahr er- höht werden. Die Mitgliederversamm- lung hat zugestimmt und nur zwei, drei Leute sind ausgetreten. Zimmermann: Transparenz ist maß- geblich. Das Geld muss für den Verein, für alle sein. Dann bringen die Mitglie- der Verständnis auf. Wenn du es erklärst, springen nur wenige ab. Das deckt sich auch mit meinen Erfahrungen. Schmidt: Mit meinen auch. Wir haben ja auch schon übers Ehrenamt gespro- chen, was an einen weiteren Punkt anknüpft. Ich habe überlegt, wie ich einen Ehrenamtlichen gewinnen kann. Aber auch da kommen wir wieder zum Geld. Warum ist es über die Politik nicht möglich, dass Ehrenamtliche für den Nachweis der ehrenamtlichen Arbeits- stunden eine Spendenbescheinigung bekommen? Zimmermann: Die ehrenamtliche Tä- tigkeit als Trainer oder Kinderbetreuer wird von der Politik höher eingestuft als die sonstigen Tätigkeiten. Ich bin da aber völlig bei dir, die Frage ist generell: Wie viel ist der Sport der Politik wert? Groth: Nicht nur der Sport, sondern generell das Ehrenamt. Fritz Keller hat seinerzeit bei seiner Antrittsrede als DFB-Präsident gesagt, was das Ehren- amt beim DFB mit seinen 25.000 Ama- teurvereinen ausmacht. Gesamtgesell- schaftlich, über den Sport hinaus, ist die Bedeutung deutlich höher. Zimmermann: Gesamtgesellschaftlich wird man schon sagen können, dass ein Deutschland, wie wir es kennengelernt haben, ohne Ehrenamt überhaupt nicht funktionieren würde. Ich behaupte zu- dem, dass allein der deutsche Amateur- fußball mehr Steuern bezahlt, als er Geld an Förderung bekommt. Da klam- mere ich die Profi ligen ausdrücklich aus. Das wäre wirklich toll, wenn man diese Zahl mal errechnen könnte. Da- mit würden sich völlig neue Argumen- te und Diskussionen ergeben, auch und gerade was die kommunale Sportför- derung anbelangt. Groth: Es wäre schön, wenn die Gesell- schaft den Einsatz der Ehrenamtlichen mehr wertschätzen würde. Ich habe mal gedacht, dass man als Ehrenamtli- che steuerliche Vorteile hat. Aber dem ist nicht so. Zimmermann: Die steuerlichen Fragen versuchen wir mit unserer Lobbyarbeit zu verbessern. Zum Beispiel die regel- mäßige Erhöhung der Übungsleiter- oder Ehrenamtspauschalen oder deren automatische Anpassung an die Infl a- tion. Wir sind gerade dabei, mit dem DFB und den Landesverbänden bes- sere Strukturen aufzubauen, um unse- re Zusammenarbeit zu stärken und ge- meinsam bei wichtigen Themen an die Politik heranzutreten. Der DFB auf Bun- desebene, die Landesverbände auf der Ebene der Bundesländer – idealerweise mit den Vereinen zusammen – bis hi- nein in die Kommunen. Insgesamt hat der Sport gerade einen schweren Stand in der Bundespolitik. Nächstes Jahr sind die Olympischen Spiele in Paris und die Bundesregierung kürzt die Zuschüsse für den Spitzensport und verschlechtert damit die Rahmenbedingungen für die HESSEN-FUSSBALL 11/2023