Interview mit Thorsten Schenk: Thorsten Schenk ist Referent für Gesellschaftliche Verantwortung beim Hessi- schen Fußball-Verband und gleichzeitig Geschäftsführer der Sozialstiftung des Hessischen Fußballs. In diesen Funktionen ist er mit Gewaltvorfällen im Rah- men von Fußballspielen konfrontiert und arbeitet daran, diese zu minimieren. Im Gespräch mit dem HESSEN-FUSSBALL stellt er sich den Fragen, die im Rah- men jüngster Gewaltvorfälle aufkamen. Foto: HFV Gemeinsam für Fair Play in Hessen (v.l.): Thorsten Schenk, Thorsten Picha; Husein Peratovic, Christine Kumpert, Holger Bischoff und Thomas Geiß. Wenn man die Medienberichterstat- tung verfolgt, bekommt man den Eindruck, dass die Gewalt auf und neben dem Platz deutlich zugenom- men hat. Stimmt das? Rein quantitativ ist es nicht auff ällig mehr geworden, von einer deutlichen Zunahme an Gewaltvorfällen kann man daher nicht sprechen. Wir reden jedoch von anderen Dimensionen: Dass ein 15-jähriger Spieler auf dem Platz zu Tode kommt, dass ein junger Schieds- richter von einem erwachsenen Mann mit dem Tode bedroht wird, das sind andere Dimensionen, über die man auch sprechen muss. Und über die na- türlich auch in den Medien gesprochen wird. Und das in besonderem Maße, wenn es Videomaterial dazu gibt. Woher kommt diese Gewaltbereit- schaft auf dem Platz und daneben? Wir erfahren in der kompletten Ge- sellschaft einen Wandel. Die Aggres- sivität hat in vielen Bereichen deutlich zugenommen. Polizei und Rettungs- kräfte klagen ebenfalls über eine Zu- nahme der Angriff e. Und der Fußball ist für viele leider auch ein Ventil, über das man den Frust und die Wut loswer- den möchte. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzuwirken. Dabei soll der Sport eigentlich Menschen zusammen- führen, das Demokratieverständnis und einen respektvollen Umgang miteinan- der fördern. Man sollte solidarisch sein und sich in andere Rollen hineinverset- zen können. Dabei soll die Aggressivi- tät, die im Sport auch durchaus ihren Platz hat, richtig kanalisiert werden. Diese darf nicht in Gewalt übergehen. Gerade im Sport sollte man aufeinan- der zugehen. Wie kann man das machen? Einen wirklichen Königsweg gibt es da- für nicht. Der Fußball kann nicht alles retten, was in der Gesellschaft falsch läuft. Über unser Netzwerk Fair Play Hessen – das vom Hessischen Innen- ministerium unterstützt wird – versu- chen wir, mit zahlreichen Präventions- maßnahmen für unsere Vereine etwas anzubieten, um Lösungen zu fi nden. Wir haben Workshops für Trainer*in- nen, für Spieler*innen, aber auch für HESSEN-FUSSBALL 7/2023 Redaktionsgespräch | 20 Schiedsrichter*innen und Eltern. Fair Play Hessen steht mit seinen Partner- vereinen für Vielfalt und Fair Play. Mit unserer Haltung und geeigneten Maß- nahmen möchten wir bewusst jeden in das Vereinsleben einbeziehen. Rassis- mus, Antisemitismus, Beleidigungen, Bedrohungen, Gewalt und jede Form von Diskriminierung haben in unse- rer Fußballgemeinschaft keinen Platz. Als Netzwerk setzen wir uns zu jeder Zeit für ein faires Miteinander auf und neben dem Sportplatz ein. Was muss nun konkret passieren, um die Gewalt einzudämmen? Jeder muss Verantwortung überneh- men. Im Fußball gibt es viele Beteilig- te und jeder trägt eine gewisse Ver- antwortung dafür, dass es dazu nicht kommt. Das gilt für Eltern, Trainer*in- nen, Betreuer*innen, Spieler*innen, auch Schiedsrichter*innen tragen eine Verantwortung dafür. Jeder muss sei- nen Teil dazu beitragen, dass wir auf unseren Sportplätzen einen anderen Umgang miteinander erleben. Das ist schon der erste Schritt, dass es nicht zu Gewaltauswüchsen kommen sollte. Ist der fürchterliche Tod des 15-jähri- gen Jungen so etwas wie eine Mah- nung an den Amateurfußball? Es sind viele wieder wach geworden und man könnte auf einen sensibleren Umgang hoff en. Aber wir hatten auch einen schlimmen Vorfall 2019, als ein Schiedsrichter mit dem Rettungshub- schrauber in die Klinik gefl ogen werden musste. Zu diesem Zeitpunkt dachte man auch, dass danach ein Umdenken stattfi ndet, aber das ist leider nicht pas- siert. Daher habe ich leider wenig Hoff - nung, dass sich kurzfristig Entschei- dendes ändert. Aber wir werden nicht aufgeben und möchten mit unserer Präventionsarbeit mit Fair Play Hessen Stück für Stück etwas ändern, um dem entgegenzuwirken. Um was geht es eigentlich bei Fair Play Hessen? Fair Play Hessen ist ein großes Netz- werk von Vereinen und Institutionen, die sich für ein faires Miteinander auf den Sportplätzen einsetzen. Wir haben mittlerweile 635 Netzwerkpartner in ganz Hessen, sind also gut aufgestellt. Wenn man bedenkt, dass es in Hessen rund 2.100 Fußballvereine gibt, ist das eine beachtliche Zahl, auch wenn noch etwas Luft nach oben ist. In unserem Netzwerk bündeln wir alle Aktionen, die wir als Präventionsmaßnahmen