21 | Redaktionsgespräch Und dann überschlugen sich die Er- eignisse … Neun Spieltage vor Schluss wollte Tho- mas Brendel einen neuen Impuls set- zen, weil wir relativ schlecht dastanden. Der Verein fragte mich, ob ich mir das Cheftraineramt zutrauen würde. Das Vertrauen des Vereins war da, ich habe zugestimmt und wir haben den Klas- senerhalt geschaff t. War der Trainerjob schon immer Ihr Berufswunsch? Der erste Trainerschein war eher aus Spaß, doch je mehr ich dafür zeitlich und fi nanziell investierte, deutete es darauf hin, dass das der Job ist, den ich gerne machen möchte. Ich möch- te Stück für Stück meine Erfahrungen sammeln, wie ich es seit der Bambini- zeit in Enkheim gemacht habe. Was ist Ihr persönliches Ziel als Trai- ner? Ich bin sehr zufrieden beim FSV. Ich ge- nieße den Moment und die tagtägliche Arbeit mit der Mannschaft und ihren vielfältigen Charakteren. Ich möchte weiter lernen und zunehmend profes- sioneller werden. Ich möchte gerne die Fußball-Lehrer-Ausbildung als höchs- te Stufe absolvieren, um neuen Input zu bekommen, weitere Reize zu setzen und weitere Menschen kennenzuler- nen. Aber es ist nicht mein Ziel, dass ich irgendwann Bundesliga-Trainer wer- den muss. Ich will nicht ausschließen, dass ich in Zukunft einen anderen An- spruch habe, aber im Moment ist es so gut, wie es ist. Gab es anfangs Bedenken bezüglich der Autorität gegenüber vielleicht gleichaltriger oder älterer Spieler? Nein, die gab es nicht. Es ging eher um die Situation neun Spieltage vor Schluss mit der Gefahr des Abstiegs und den Folgen für den Verein, die Mitarbeiter und das Nachwuchsleistungszentrum. Das Risiko war relativ groß. Aber ich wusste, dass die Mannschaft Qualität hat und komplett hinter mir steht. Was raten Sie Trainernovizen? Wer im Fußballbereich tätig ist, macht das aus Spaß und Freude an der Sa- che. Wenn ein Kind bei den Bambini mit dem Kicken anfängt, hat es nicht das feste Ziel, Profi fußballer zu werden. Daher sollte man auch Trainer aus Spaß an der Tätigkeit und der Interaktion mit Menschen sein und nicht nur aufgrund eines Karriereplans. Als welche Art Trainer sehen Sie sich? Ich sehe mich als authentischen, off e- nen und akribischen Trainer. Ich habe schon einen engen Draht zu den Spie- lern, aber es ist ein schmaler Grat zwi- schen einem autoritären oder kumpel- haften Trainertyp und den muss man selbst fi nden. Ich bin nicht der Schleifer, aber auch nicht der beste Freund. Was ist Ihnen sportlich besonders wichtig? Besonders wichtig und elementar ist für mich, dass wir auf dem Platz eine hundertprozentige Leidenschaft zei- gen. Ich mache bei einer missglückten Ballannahme oder Torschuss keinen Vorwurf, aber ich habe ein Problem da- mit, wenn die Leidenschaft nicht auch schon in der Trainingswoche gezeigt wird. Ist es ein Vor- oder ein Nachteil, dass Ihr Vater Präsident des FSV ist? Weder noch. Es ist eben so. Ich bin nicht hierhergekommen, weil mein Vater Präsident ist, und ich bin nicht aktuell in dieser Trainersituation, weil er Prä- sident ist. Das ist in der Öff entlichkeit ein größeres Thema als intern. Bei mei- ner täglichen Arbeit habe ich mit ihm nichts zu tun. Er ist Präsident des e. V., ich bin Angestellter der GmbH. Mein di- rekter Vorgesetzter ist Thomas Brendel, mit dem ich in einem engen Austausch stehe, und dann Patrick Spengler als Geschäftsführer. Aber es ist logisch, dass das thematisiert wird, solange wir beide beim FSV sind. Die Hinrunde des FSV kann sich se- hen lassen. Was lief besser als in der Vorsaison? Vor zwei Jahren spielte der FSV eine bä- renstarke Saison. Nach guter Vorberei- tung mit weiteren Neuzugängen und dem gewünschten Trainer wurde für die Saison 2020/21 eine hohe Erwar- tungshaltung geschürt. Obwohl die Qualität der Mannschaft gut war, ging es leider in die andere Richtung. Vor der laufenden Saison haben wir einen großen Umbruch vollzogen und mehr- heitlich auf junge, hungrige und auf- strebende Spieler gesetzt, die besten- falls einen Bezug zur Region haben. Wir haben viele Gespräche geführt, um he- rauszufi nden, ob die Spieler auch cha- rakterlich zu uns passen. Es hat am An- fang noch nicht alles gepasst, aber von Woche zu Woche und von Monat zu Monat wachsen wir mehr zusammen und verbessern uns. Das ist unser pri- märes Ziel. Was erwarten Sie für die Rückrunde? Wir wollen im Optimalfall mehr Punk- te als in der Hinrunde sammeln. In den ersten drei Spielen hat das bereits ge- klappt. Daran wollen wir anknüpfen und so schnell wie möglich den Klas- senerhalt eintüten. Außerdem versu- chen wir die Jungs und uns als Team zu verbessern und weiterzubringen. Und wir hoff en, dass dann der Umbruch zur nächsten Saison nicht ganz so groß sein wird und wir auf dem aufbauen kön- nen, was wir uns jetzt erarbeiten. Was sind die langfristigen Ziele des FSV? Nach dem Durchreichen von der zwei- ten in die vierte Liga und der Insolvenz haben wir uns als Verein ganz gut stabi- lisiert. Nach der kritischen Situation im letzten Jahr haben wir das auch sport- lich aktuell geschaff t. Mittel- bis lang- fristig möchte der FSV nach Generie- rung neuer fi nanzieller Mittel zu den Top-Teams der Regionalliga Südwest gehören. Ein Aufstieg ist bei der Quali- tät dieser Liga sehr schwierig und ein fi - nanzieller Kraftakt. Davon sind wir noch weit entfernt, deshalb können wir da- von aktuell nicht reden. Tim Görner (re) im HESSEN-FUSSBALL-Redaktionsgespräch mit Matthias Gast. Foto: Petra Heimstadt HESSEN-FUSSBALL 1-2/2023