27 | Vereine „Falcao“ in Kelsterbach: Wenn Vildan Islami auf die Torjägerkanone für alle angesprochen wird, dann leuchten direkt die Augen des 26 Jahre alten Nordmazedoniers. „Diese sehr gute Aktion motiviert mich noch mehr“, lobt der Stürmer des 1. FC Viktoria 07 Kelsterbach aus der hessischen Kreisliga A Maintaunus die Initiative des Fach- magazins kicker, von fussball.de und Volkswagen, die gemeinsam dafür sor- gen, dass im deutschen Amateurfußball erstmals bis hinunter in die 11. Liga in jeder Spielklassenebene der erfolgreichste Torschütze der laufenden Saison 2021/2022 mit der traditionsreichen Trophäe ausgezeichnet wird. Zur Winterpause darf sich Islami gute Chancen ausrechnen, am Saisonen- de die Torjägerkanone für die 9. Liga in Empfang zu nehmen. Mit 38 Treff ern nach den ersten 19 Saisonspielen, also exakt zwei Toren im Schnitt pro Spiel, ist der Viktoria-Stürmer aktuell bundes- weit die Nummer eins. Der Vorsprung auf den Zweitplatzierten, Dominic Meyer vom SV Losaurach aus der fränki- schen Kreisklasse in Bayern, beträgt al- lerdings nur ein Tor. „Um ganz oben bleiben zu können, werde ich wohl auch bis zum Saisonen- de weiterhin so gut treff en müssen wie bisher“, sagt Vildan Islami im Gespräch mit fussball.de – und fügt gleich hinzu: „Das ist defi nitiv auch mein Ziel, für das ich hart arbeite: Allerdings nicht in ers- ter Linie, um Torschützenkönig zu wer- den, sondern um der Mannschaft zu helfen.“ Nach zwei coronabedingten Saisonabbrüchen soll im dritten Anlauf der Aufstieg in die Kreisoberliga ge- lingen. Als Spitzenreiter und bei acht Punkten Vorsprung auf Rang drei ste- hen die Chancen gut. VVereein im Intternet gefunnden Seit fast drei Jahren lebt Islami im Frankfurter Raum, hatte damals seine Familie in Nordmazedonien verlassen, um in Deutschland Arbeit zu suchen - und einen Fußballverein. In seiner Hei- mat hatte es der talentierte Angreifer sogar bis in die 2. Liga geschaff t, war dort für KF Gostivar am Ball. „Wir haben zwar schon unter professionellen Be- dingungen trainiert, aber die Gehälter sind dort nicht so, dass man allein vom Fußball leben kann“, sagt er. Berufl ich fasste Vildan Islami in sei- ner neuen Heimat schnell Fuß, fand zu- nächst eine Arbeitsstelle in Off enbach und wechselte später nach Kelsterbach, nur wenige Kilometer vom Frankfurter Flughafen entfernt. Dort ist er jetzt im Elektromaschinenbau beschäftigt. „Zu Beginn war es schwierig für mich, denn ich kannte niemanden in Deutschland“, erklärt er. Bei der Suche nach einem Klub war er deshalb auch auf das Internet angewiesen. „Ich hatte gesehen, dass es in Kelsterbach einen großen Sportplatz gibt. Deshalb habe ich bei Google den entsprechenden Verein gesucht und die Viktoria gefun- den“, verrät der Stürmer. Als sich Vildan Islami beim Neunt- ligisten vorstellte, war Trainer Ahmet Demiroglou schnell von den Quali- täten des überraschenden Zugangs überzeugt und baute ihn in sein Team ein. Diese Entscheidung sollte sich als Glücksfall für die Viktoria herausstellen. Dass in den ersten beiden Spielzei- ten „nur“ 15 Tore in zehn Partien für den neuen Angreifer heraussprangen, lag zunächst an berufl ichen Gründen und dann vor allem an der Corona-Pan- demie. Die monatelange Zwangspause zerrte speziell an Islamis Nerven. „Dass wir so lange nicht trainieren und spie- len konnten, war schlimm. Umso glück- licher war ich, dass wir im Sommer wieder vergleichsweise normal in die Saison gestartet sind.“ Seechs Dooppelppacks uund 155 Vorlaagen In den ersten drei Saisonspielen, unter anderem gegen den Aufstiegskonkur- renten SC Eschborn (2:3), ging Vildan Islami noch zweimal leer aus. Doch es folgte eine eindrucksvolle Serie. In den folgenden 15 Partien tauchte sein Name nur einmal nicht unter den Tor- schützen auf. Höhepunkte waren ein Fünferpack beim 11:0 gegen Schluss- licht SV 09 Flörsheim sowie der 4:2-Aus- wärtserfolg bei der SG Bad Soden II, bei dem Islami alle vier Tore gelangen. Insgesamt markierte er dreimal vier Treff er in einem Spiel, schaff te zwei Hat- tricks und schnürte gleich sechs Dop- pelpacks. Dennoch ist Vildan Islami, der auch noch beachtliche 15 Torvorlagen gab, keineswegs der „Alleinunterhal- ter“ in der Off ensive der Viktoria, die zu- sammen auf beeindruckende 106 Tore kommt und damit durchschnittlich 5,57 Treff er pro Partie erzielt. Auch Ricardo Schuhmann war mit bislang 22 Saison- toren im Schnitt häufi ger als einmal pro Partie erfolgreich. So soll es nach der Winterpause mög- lichst weitergehen, um im Frühjahr den Sprung in die Kreisoberliga zu schaff en. Dafür trainiert Vildan Islami eine Wo- che vor dem regulären Trainingsbeginn bei der Viktoria längst wieder intensiv. „Nach zehn, zwölf Tagen Pause über die Feiertage habe ich schon zu Beginn des Jahres wieder mit Läufen und individu- ellen Trainingsübungen angefangen“, beschreibt der Torjäger: „Ich will schon richtig fi t in die Vorbereitung starten.“ Die zweite Halbserie will er schließ- lich auch nutzen, um nach Möglichkeit weitere Eigenwerbung zu betreiben. „Ich würde mir schon wünschen, noch einmal höherklassig zu spielen, wenn alles passt“, bekennt er. Auf der ande- ren Seite weiß er aber auch, was er an seinem Verein hat: „Das Team hat mich super aufgenommen, auch sportlich läuft es ausgezeichnet. Inzwischen ist die Viktoria wie eine Familie für mich.“ Das ist Vildan Islami auch deshalb besonders wichtig, weil er von seinen Eltern und seiner jüngeren Schwester, die nach wie vor in der Heimat wohnen, rund 1,800 Kilometer entfernt ist und sie Vorbild Falcao: Islami hat einen ausgeprägten Torriecher und trifft aus allen Lagen. Foto: Lukas Laun/1. FC Viktoria 07 Kelsterbach HESSEN-FUSSBALL 3/2022