Zum Fußball spielen ins Gefängnis

21. August 2011 · Allgemein · von: Anne Lange

Trikots und Bälle für den SV Kiefer sowie ein Ball für die SG Malchen (von links): der Kapitän der SG Malchen, Weltmeister Horst Eckel, HFV-Präsident Rolf Hocke, Hessens Justizminister Jörg-Uwe Hahn und der Spielführer des SV Kiefer; hinten von links: (verdeckt) Verbandsfußballwart Armin Keller, HFV-Vizepräsident Torsten Becker und Darmstadts Kreisfußballwart Michael Sobota. Foto: Anne Lange

Mit einem bundesweit nahezu einmaligen Modellprojekt im sozialen Bereich setzt der Hessische Fußball-Verband die Reihe seiner innovativen Aktionen fort: Nach Eintracht Fuhlsbüttel beim Hamburger Fußball-Verband spielt mit dem SV Kiefer aus Darmstadt-Eberstadt jetzt eine zweite Mannschaft aus einer Haftanstalt im regulären Ligabetrieb eines DFB-Landesverbandes mit.

Der HFV übernimmt damit besondere gesellschaftspolitische Verantwortung und gehört einmal mehr zu den Vorreitern in der Umsetzung außergewöhnlicher Ideen. Am vierten Spieltag der D-Klasse Darmstadt war HFV-Präsident Rolf Hocke mit weiteren hochkarätigen Vertretern aus Sport und Politik beim Spiel des SV Kiefer gegen Tabellenführer SG Malchen 1968 in der Justizvollzugsanstalt zu Gast.

Zusammen mit Weltmeister Horst Eckel aus der legendären 1954er-Mannschaft sowie dem Hessischen Minister der Justiz, für Integration und Europa, Jörg-Uwe Hahn, übergab er dem SV Kiefer einen Satz Trikots und Bälle. Ein weiterer Ball ging als Dank fürs „Mitziehen“ stellvertretend für alle D-Klassenvereine an die Gäste aus Malchen. Diese hatte die Sepp Herberger-Stiftung des Deutschen Fußball-Bundes bereitgestellt.

Unter den prominenten Zuschauern befanden sich auch Landtagsabgeordnete Heike Hofmann, Torsten Becker, HFV-Vizepräsident für Recht und Satzung,  Verbandsfußballwart Armin Keller, Darmstadts Kreisfußballwart Michael Sobota mit Pressewart Heinz Werner Krautwurst sowie Jürgen Tolksdorf von der Sportjugend Hessen.

„Ich bin sehr stolz, dass ich heute hier sein darf. Wir versuchen hier in einem bundesweiten Modellprojekt, unsere integrativen und sozialen Aufgaben auch in der Resozialisierung umzusetzen“, sagte der HFV-Chef.

Justizminister Jörg-Uwe Hahn dankte allen Beteiligten für ihr Engagement: „Fußball hinter Gittern ist eine besondere und sehr wichtige Form der Therapie. Wer mittrainiert und mitspielt, gliedert sich in die Mannschaft ein. Er ist Teil der Gemeinschaft, die sich ein Ziel gesetzt hat“. Dabei gälten Regeln, die auch in Freiheit gebraucht würden. Auf diese Weise helfe Sport, im Leben klar zu kommen. Ebenso  äußerte sich der stellvertretende JVA-Leiter Siegfried Britze.

Weltmeister Horst Eckel, Botschafter der Sepp Herberger-Stiftung, die auch Sport für Strafgefangene fördert, sieht in diesem Bereich „eine sehr große Perspektive“. Seit rund 20 Jahren ist der Kaiserslauterer regelmäßig in Strafanstalten zu Gast und hat große Veränderungen festgestellt: „Sport im Gefängnis war seinerzeit kaum vorhanden“.

Vereinsvorsitzender Gerhard Wydra sagte schlicht: „Danke für die Unterstützung auch ungewöhnlicher Ideen“. Das galt nicht nur den offiziellen Stellen, sondern auch den D-Klassen-Vereinen: „Es ist nicht einfach, für ein Fußballspiel ins Gefängnis zu gehen“.

In die Wege geleitet hat das Projekt mit Beharrlichkeit und Überzeugungsarbeit der Kreisfußballausschuss Darmstadt unter Vorsitz von Michael Sobota.

Die Teilnahme des SV Kiefer an den Ligaspielen erforderte Extras in der Spielordnung. So hat der SV Kiefer in den Hin- und Rückspielen aus naheliegenden Gründen stets Heimrecht, die Spielzeiten orientieren sich an den Erfordernissen der JVA, und der Verein darf nicht aufsteigen. Auch Vereinswechsel von Spielern während ihrer Haftzeit sind nicht möglich. Dafür können sie sich nach ihrer Entlassung sofort und ohne Ablöse einem anderen Verein anschließen.

Zum Sportlichen: Malchen, als Klassenprimus angereist, erlebte auf dem Sportplatz Marienburgstraße eine unliebsame Überraschung. Gastgeber SV Kiefer gewann 2:0 und glich sein Punktekonto nach einem etwas holprigen Start auf 6:6 aus.

Mehr dazu steht in der kommenden Ausgabe des HESSEN FUSSBALL, die am 2. September scheint. Anne Lange