Pilotprojekt für junge Schiedsrichter: Mit Spaß an der Pfeife

19. Dezember 2018 · Top-News · von: Manuel Schubert (Frankfurter Rundschau)

Der Schlappekicker beteiligt sich an einem Pilotprojekt für junge Schiedsrichter aus der Region.

Fotos: Frankfurter Rundschau - Schlappekicker

Es begann mit einer Lappalie. Ein falsch ausgeführter Einwurf, eine kurze Ermahnung, sicher nichts Wildes. Doch dann rastete einer der beiden Trainer aus. „Er hat sich einfach nicht mehr eingekriegt“, erzählt der 16-jährige Marlon, Nachwuchsschiedsrichter aus den Reihen von Eintracht Frankfurt. Der Unparteiische sah sich gezwungen, den beinahe dreimal so alten Übungsleiter des Feldes zu verweisen – woraufhin der ihn als „Spast“ beschimpfte. „Schon bizarr“, so der Teenager, „dass ein 40-Jähriger einen 15-Jährigen beleidigt.“

Wie schafft es ein junger Mensch, sich in solch einer kniffligen Situation zu behaupten? Das ist nur eine von dutzenden Fragen, die an diesem Tag bei einem Pilotprojekt des Hessischen Fußball-Verbands (HFV) und der Schlappekicker-Aktion der Frankfurter Rundschau beantwortet wurden. 51 Jung-Schiedsrichter aus den Fußballkreisen Frankfurt und Offenbach – darunter auch zwei Mädchen – waren der Einladung gefolgt, um sich in der Sportschule des Landessportbundes Hessen auszutauschen. „Ich finde es toll, dass wir nach unserer Meinung gefragt werden, unsere positiven und negativen Erlebnisse vortragen, Fragen stellen und bekannte Personen aus der Fußballszene um ihren Rat zu konkreten Themen fragen können“, sagte der 16-jährige Dogukan aus Offenbach.

Den Auftakt nach der Begrüßung durch HFV-Geschäftsführer Gerhard Hilgers machte eine Gesprächsrunde, bei der der stellvertretende Schlappekicker-Vorsitzende Harald Stenger die zwölf bis 18 Jahre alten Jugendlichen sich vorstellen und aus ihrem Alltag berichten ließ. Offen erzählten die jungen Schiedsrichter und Schiedsrichterinnen, die aus Heusenstamm, Dreieich, Neu-Isenburg, Rodgau oder Nieder-Roden angereist sind und in Frankfurt für Klubs wie Ginnheim, Bonames, Niederursel, Seckbach, Bornheim und Praunheim pfeifen, von den Herausforderungen ihres Alltags. Interessierter Zuhörer war dabei auch Ex-Eintracht-Profi Ronald Borchers, der sich selbst mit seiner Meinung einbrachte.

Ein Zwölfjähriger erzählte etwa von einem E-Jugend-Spiel, bei dem ein Spieler ein Eigentor schoss und weinend auf dem Rasen stehen blieb. „Da wusste ich ehrlich gesagt nicht, was ich machen soll.“ Ein weiterer erlebte häufig, dass Trikotnummern der Spieler nicht mit den Angaben auf dem Spielberichtsbogen übereinstimmten oder Spielerpässe nicht korrekt ausgefüllt wurden. „Das Administrative ist bei vielen Vereinen ein Chaos“, sagte er. Ein anderer stimmte ihm zu: Er pfiff einst ein Spiel auf einem hochmodernen Sportplatz – doch einen Computer gab es dort nicht. Den Spielbericht musste er auf dem Smartphone tippen.

Auf die Frage, wer schon mal mit dem Gedanken gespielt habe, wegen ständiger Meckereien oder gar Bedrohungen als Schiedsrichter schnell wieder aufzuhören, meldete sich nur eine Handvoll. Mehr als 40 Teilnehmer machten per Handzeichen deutlich, dass sie viel Freude an ihrem Hobby haben. „Das Wichtigste ist echt, dass ihr Spaß dran habt“, sagte Borchers.

Wichtig ist der richtige Ton
Nach dem Mittagessen teilte sich die Gruppe in zwei Workshops auf. Der langjährige Bundesliga-Schiedsrichter Lutz Wagner erläuterte in einem Vortrag mit vielen bewegten Bildern Fragen zur Regelkunde und gab Tipps zur richtigen Vorbereitung aufs Spiel. Darüber hinaus plauderte er über seine Erfahrungen mit bekannten Bundesliga-Größen in über 300 Profispielen, die er bis 2010 leitete, seinen Kontakt und seine Dialoge mit Stars wie Oliver Kahn oder Trainern wie Benno Möhlmann. „Wichtig war immer, den richtigen Ton zu treffen.“ Sein Ziel: „Spieler und Trainer müssen den Respekt des Schiedsrichters spüren, wir Unparteiischen müssen aber auch von ihnen akzeptiert werden.“

Im Raum nebenan dozierte der ehrenamtlich als Kreisschiedsrichter-Obmann engagierte Thorsten Schenk von der Sozialstiftung des HFV über Körpersprache und damit ein selbstsicheres Auftreten der Schiedsrichter. Das beginne mit der Begrüßung der beiden Trainer bei der Ankunft auf dem Sportplatz und eventuell auch einem kurzen Vorstellen bei den jeweiligen Spielführern während des Aufwärmens, um eine gute Atmosphäre zu schaffen. Von Ansprachen in der Kabine mit erhobenem Zeigefinger vor Spielbeginn riet er hingegen tunlichst ab.

Als das Pilotprojekt nach insgesamt sechs Stunden zu Ende ging, waren alle begeistert. HFV-Geschäftsführer Gerhard Hilgers sagte: „Wir hatten gehofft, dass es eine gute Veranstaltung wird, dass der Tag aber so stark läuft, hat die Erwartungen sogar übertroffen.“

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