Pia Wunderlichs Idee: Inklusion in der Kreisliga

20. Juli 2015 · Masterplan · von: Frank Schneider

Die dritte Mannschaft der SG Bad Soden mit Trainerin Pia Wunderlich (links) und dem Vorsitzenden Martin Berg (rechts). Foto: SG Bad Soden

Startschuss für ein nicht alltägliches Fußballprojekt. Gestern bat die frühere Nationalspielerin Pia Wunderlich zusammen mit ihrem Trainerkollegen Oliver Hofmann die Spieler der SG Bad Soden III im hessischen Kinzigtal zum Trainingsauftakt. So weit, so normal. Die beiden trainieren jedoch keine gewöhnliche Amateurfußballmannschaft, denn fast alle Spieler sind Mitglieder des Behindertenwerks Main-Kinzig (BWMK) und müssen ihren Alltag mit kognitiven Beeinträchtigungen bewältigen.

Die 102-fache Nationalspielerin Wunderlich arbeitet seit einigen Jahren verantwortlich für Sport und Kommunikation beim BWMK in Gelnhausen und hat dort ein Werkstatt-Team aufgebaut, das mit großer Begeisterung dem runden Leder hinterherjagt. Im vergangenen Jahr errangen ihre Spieler bei den Deutschen Meisterschaften für Teams aus Behindertenwerkstätten den Vizetitel. Jeden Freitag trainierten die behinderten jungen Leute in Hanau, jetzt kommt einmal pro Woche eine Trainingseinheit auf dem Gelände des Verbandsligisten SG Bad Soden hinzu. Dort ist der Vorstandsvorsitzende des BWMK, Martin Berg, zugleich seit Jahren der Vereinschef.

Von Wunderlichs Idee, unter dem Dach seines Vereins eine Mannschaft mit mehrheitlich geistig behinderten Menschen zu formieren, ließ Berg sich schnell begeistern. Alle Verantwortlichen blicken gespannt gen August, denn dann geht es in der Kreisliga C Schlüchtern West erstmals um Punkte und Tore. „Die Umstellung wird für die Spieler schon groß sein“, glaubt Pia Wunderlich. Bislang spielten ihre Schützlinge nur auf dem Kleinfeld, meistens nur eine Viertelstunde pro Partie. Nun aber geht es auf dem großen Spielfeld zur Sache, natürlich über volle 90 Minuten. Zwar in der untersten Spielklasse, aber eben nicht mehr gegen Gleichgesinnte.


Die Gegner werden vorab bei den Terminbesprechungen schon auf die außergewöhnliche neue Mannschaft hingewiesen, auch die Schiedsrichter wissen über die Besonderheiten Bescheid. Rückendeckung gibt es auch von Verbandsseite: Kreisfußballwart Dietmar Pfeiffer und Verbandsfußballwart Jürgen Radeck begrüßen das Inklusionsprojekt ausdrücklich.

Pia Wunderlich hofft eine gute Integration in den Spielbetrieb und wirbt um Verständnis, sollte das ein oder andere auf Anhieb nicht funktionieren. „Vielleicht fällt auf dem Spielfeld auch mal der ein oder andere Kraftausdruck, doch das sollten die Gegenspieler richtig einordnen“, erzählt die Welt- und Europameisterin.

Es war der Wunsch der geistig behinderten Fußballbegeisterten, sich im richtigen Ligaalltag zu messen. Spieler der SG Bad Soden komplettieren den Kader. Es sind zum Teil erfahrene Spieler, die das Projekt spannend finden und Wunderlich und Hofmann gerne unterstützen wollen. Sie werden die Führungsspieler sein, auf dem Platz helfen – dort, wo plötzlich Abseits und Rückpassregel eine Rolle spielen werden.

„Wir wollen keine Sonderbehandlung“, unterstreicht die frühere Bundesligaspielerin des FFC Frankfurt. Sportliche Ziele und Tabellenstände sind für die 40-Jährige und ihren Trainerkollegen zunächst zweitrangig. „Der Spaß am Fußball steht klar im Vordergrund“, sagt Wunderlich. Dass sich nur zwei erste Mannschaften in der untersten Liga des Schlüchterner Fußballkreises tummeln, muss diesbezüglich kein Nachteil sein. In vielen Reserveteams geht es ebenfalls nur um den Spaß am Kicken.

Sollte das Inklusionsprojekt ein Erfolgsmodell werden, sieht Pia Wunderlich die große Chance, das Selbstwertgefühl der jungen Leute zu steigern und die Integration in die Gesellschaft durch den Fußball noch ein Stück zu erleichtern.