Interview mit Thomas Geiß: Trainerpass jetzt überall in Hessen

10. August 2022 · Top-News · von: mag

Nach den positiven Erfahrungen im Fußballkreis Offenbach wird es den Trainerpass ab dieser Saison nun für alle Herren- und Frauen-Spielklassen geben. Die Coaches übernehmen als sichtbare Ansprechpersonen eine Vorbildrolle und tragen so zu einem wertsteigernden Verhalten untereinander bei. Der HESSEN-FUSSBALL hat sich darüber mit Thomas Geiß, dem Vorsitzenden der HFV-Kommission Gesellschaftliche Verantwortung, unterhalten.

Thomas Geiß (li.) bei einer Trainer*innenpass-Schulung

Warum wurde der Trainerpass eingeführt?
2019 entstand im Verbandsvorstand die Grünberger Erklärung als Reaktion auf die aufgekommene Gewalt auf Hessens Sportplätzen, insbesondere gegen Schiedsrichter*innen. Es gab den Fall, dass ein Schiedsrichter geschlagen und per Hubschrauber abtransportiert wurde. So konnte es nicht weitergehen. Der Verfall der Werte ist im Fußball genauso wie gesamtgesellschaftlich wahrzunehmen. Im Rahmen der Erklärung wurden verschiedene Maßnahmen beschlossen, unter anderem die Installierung von Sicherheitsbeauftragten, Social-Media-Schulungen, Schiedsrichterobleute, Konfliktmanager*innen-Ausbildung, Fairplay-Beobachter*innen und die Einführung des Trainerpasses. Die Schulungen für den Trainerpass werden jährlich wiederholt, so dass die Trainer*innen als verlängerter Arm des Verbandes auch die entsprechenden Werte am Spielfeldrand hochhalten. Trainer*innen sollen sich als Teil des Spiels und des Systems verstehen und wie wichtig ihre Rolle bei der Wertevermittlung ist. Sie können maßgeblich durch ihr Coaching deeskalierend Einfluss nehmen. Hinzu kommt, dass nach den letzten Untersuchungen im HFV statistisch ein Viertel aller Sportgerichtsurteile sich gegen Trainerinnen und Trainer richten und von diesen Fällen 93 Prozent der Betroffenen keine Lizenzinhaber waren, also häufig möglicherweise nicht einmal genau wissen, über was sie sprechen und wie die Regellage gerade ist.

Sind die Erfahrungen aus der Pilotphase im Kreis Offenbach also positiv?
Ja, das hat sich bewährt. Die Trainer*innen sind einfacher für die Unparteiischen zu identifizieren, sie kennen direkt ihre Ansprechpartner. Besonders in den unteren Ligen hat man in diesem Zuge einen signifikanten Rückgang von Sportgerichtsurteilen festgestellt. Darüber hinaus gibt es schon eine gegenseitige Regulierung, wenn ein*e Trainer*in keinen Pass trägt. Aufgrund einer entsprechenden Eintragung sind die betroffenen Trainer*innen für eine Nachschulung im Winter vorgemerkt. Wir kennen jetzt die Trainer*innen und können sie persönlich ansprechen, auch für Weiterbildungen und für Informationen, die sie direkt betreffen. Ein Nebeneffekt ist, dass Pädophile, die gerne im Verborgenen agieren, möglicherweise besser ausgeschlossen werden können.

Was müssen die Trainer*innen dafür tun, um einen Pass zu erhalten?
Die Trainer*innen müssen nur an der Schulung, die vom jeweiligen Kreis ausgeschrieben wird, teilnehmen. Dort erhalten sie den notwendigen Infos bezüglich eines respektvollen Verhaltens gegenüber Schiedsrichter*innen und weiteren Beteiligten, auch außerhalb des Spielfeldes. Respektloses Verhalten von Vereinsvertreter*innen zieht auch weitere Kreise, die keine positiven Folgen für den Verein haben. Coaches sind die ersten Botschafter ihres Vereins. Und wenn man sich bei internationalen Turnieren umschaut, tragen alle Trainer*innen eine Akkreditierung zur Identifikation, man ist also in bester Gesellschaft.

Wie lange dauert eine solche Schulung?
Ein gutes Spiel dauert 90 Minuten und manchmal gibt es auch eine Verlängerung und genauso lange dauert die Schulung.

Welche weiteren Maßnahmen gibt es in dem Paket, um präventiv Gewalt einzudämmen?

Wir haben 15 neue Konfliktmanager geschult, mit deren Hilfe Vereine ihre Strafen reduzieren können, sofern die Sportgerichte dies in ihren Urteilen vorgesehen haben. Die Meldung über erfolgreiche Schulungen geht ans Sportgericht, das dann dementsprechend handelt und die Strafe anpassen kann. Die Fairplay-Beobachter schauen sich die Atmosphäre und das Umfeld des Spiels an, dabei geht es auch um bauliche Maßnahmen. Begleitend wird ein Fragebogen ausgefüllt, der bei der Sozialstiftung landet, die die Bögen auswertet. Darüber hinaus hat jeder Verein fünf Sicherheitswesten erhalten, die deutlich kenntlich machen, wer für die Sicherheit rund um den Sportplatz verantwortlich ist. Social-Media-Schulungen kümmern sich um Wege, um gegen Hass und Hetze vorzugehen (z.B. : hessengegenhetze.de/). Außerdem liefern wir in den Schulungen noch theoretische Kenntnisse und geschichtliche Hintergründe zu unserem Sport; dass unsere Nationalmannschaft in den Farben schwarz/weiß spielt, ist kein Zufall.

Ist schon nachgewiesen, dass diese Maßnahmen erfolgreich sind?
Die Zahl der Sportgerichtsurteile habe ich bereits erwähnt und auf jeden Fall ist das Bewusstsein entstanden, dass die Verantwortung nicht nur bei einer Person liegt. Respekt ist keine Einbahnstraße, das sollten sich alle Beteiligten vor Augen führen.