Grünberger Erklärung: Sauber Fußball spielen

25. Dezember 2021 · Top-News · von: mag

Der Winter steht vor der Tür, die Tage werden kürzer, trüber und dunkler. Das ist die Phase, in der auch die Gewaltvorfälle auf Fußballplätzen zunehmen. Das ist keine plumpe Stammtischparole, sondern wurde von Kriminologin Dr. Thaya Vester, die für den Deutschen Fußball-Bund und den Württembergischen Fußball-Verband in diversen Projekten und Kommissionen mitarbeitet, in einer statistischen Untersuchung festgestellt.

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„In diese Phase fällt auch die Chance für den Verein, die Saison noch zu retten, der oder die Trainer*in muss sich nochmal beweisen. Jetzt passieren die meisten Trainerwechsel, die meisten Spielabbrüche und die meisten Gelben und Roten Karten. Die Zahlen der vergangenen Jahre aus dem Kreis Offenbach unterstreichen diese These, lassen aber auch die Vermutung zu, dass die Trainerpass-Schulung diesbezüglich einen positiven Einfluss hatte“, betont Thomas Geiß, der Vorsitzende der Kommission für Gesellschaftliche Verantwortung, der gleichzeitig auch Verantwortung als stellvertretender Kreisfußballwart in Offenbach übernimmt.

Deshalb möchte der Verbandsvorstand des Hessischen Fußball-Verbandes gerade in dieser Phase besonders auf die Grünberger Erklärung hinweisen, die vor zwei Jahren beschlossen, verfasst und veröffentlicht wurde. „Wir tragen FAIRantwortung“ erklärt passenderweise der Titel der daraus entstandenen Kampagne der Prävention von Gewalt und Diskriminierung auf hessischen Sportplätzen. Die Planung wurde auf Veranstaltungen der Fußballkreise wie Kreisfußball-, -schiedsrichter- und -jugendtage sowie Rundenbesprechungen vorgestellt. Aus jedem Kreis wurden Ausschussmitglieder in regionalen Kurzschulungen zu Fair Play-Beobachter*innen ausgebildet, die mit Hilfe eines Online-Bewertungsbogens allgemeine Informationen zu Spiel und Umfeld hinterlegen. Die Auswertung des Tools erfolgt über Fair Play Hessen.

Zusätzlich finden in allen Kreisen für die Vereine verpflichtende Kurzschulungen zum Thema „Sicherheit auf den Sportplätzen“ statt. Dafür benennt jeder Verein eine*n Platzordner*in. Diese Person ist für die Sicherheit im Verein bzw. auf dem Platz verantwortlich, nimmt an der Fortbildung teil und hat die Aufgabe, als Ansprechpartner für Schiedsrichter*innen von der Ankunft bis zur Abreise zu fungieren, die notwendigen Platzordner und Maßnahmen an Spieltagen zu koordinieren und das Sicherheitskonzept des Vereins umzusetzen.

Das Sicherheitskonzept orientiert sich an der LOTTO Hessenliga und wird für die Bedingungen der Kreisebene angepasst. Im Zuge dessen gibt es Überlegungen bezüglich abschließbarer Schiedsrichterkabinen und einer verpflichtenden festgelegten Ordneranzahl, die durch eine entsprechende Ausstattung gut sichtbar sein müssen. Die dafür vorgesehenen Ordnerwesten werden in den Kreisen verteilt.

Geiß unterstreicht die Wichtigkeit des Themas: „Wir betreuen mit der Gesellschaftlichen Verantwortung unser Kerngeschäft Fußball. Damit wir sauber und ordentlich Fußball spielen können, müssen wir uns den Themen der Gesellschaftlichen Verantwortung annehmen, wie der Grünberger Erklärung. Die Grünberger Erklärung ist unser Hilfsmittel, dass wir einen sauberen Fußball spielen können. Wenn wir uns vor Themen der Gesellschaft verschließen, brauchen wir uns nicht wundern, dass wir keinen Nachwuchs haben, weil das sind auch die Themen, die die jungen Leute interessieren. Wenn ich keine Themen auf der Agenda habe, womit sich junge Leute identifizieren, brauche ich mich nicht wundern, dass sie für mich kein Interesse entwickeln.“

Trainerpass vor Einführung
Eine weitere Maßnahme zur Prävention von Gewalt und Diskriminierung auf dem Fußballplatz ist neben der Ausbildung von Fußballkonfliktmanagern, Führungsspieler*innentreffs, Social-Media-Schulungen und der Überarbeitung der Trainerlizenzausbildung hinsichtlich Werten und Fairplay die Einführung des Trainerpasses in sämtlichen Spielklassen der Herren und Frauen, mit dem im Kreis Offenbach im Rahmen einer Pilotphase schon positive Erfahrungen gesammelt wurden.

Jede*r Trainer*in erhält zu Saisonbeginn eine diesbezügliche zweistündige Schulung und fungiert bei der Vermittlung von Werten als Multiplikator. Nach dem kürzlich errungenen Sieg beim SC Freiburg und der Fairplay-Aktion des Freiburgers Vincenzo Grifo hat Eintracht Frankfurts Cheftrainer Oliver Glasner betont, dass in solchen Fällen die Mannschaft ein Spiegelbild des Trainers sei. Dieses Zusammentreffen der Trainer*innen bereits vor der Saison ist zusätzlich förderlich zur Vermittlung von Regeländerungen und dem gegenseitigen Kennenlernen außerhalb der Wettkampfsituation sowie der Beschäftigung im Rahmen dessen mit Werten und dem Verhalten untereinander. „Für den Umgang untereinander ist es wichtig, dass sich die Trainer*innen nicht zum ersten Mal in einer Konfliktsituation auf dem Platz begegnen, sondern in einer entspannten Atmosphäre bei der Schulung“, erklärt Geiß.

Die vordergründigen Vorteile des Trainerpasses liegen auf der Hand: Verantwortliche wie beispielsweise Schiedsrichter*innen haben auf dem Platz einen „sichtbaren“ Ansprechpartner, auch die Zugänge zu bestimmten Zonen sind durch diese Art der Akkreditierung geklärt. Das Tragen der Akkreditierung erinnert an den Vorbildcharakter und wird bei internationalen Turnieren und in einigen anderen Sportarten bereits erfolgreich praktiziert. Die formelle Einführung erfolgte am Verbandstag, entsprechende Schulungen folgen in Kürze.

„Von jedem Spieler und jeder Spielerin haben wir einen Pass und auch von allen Schiedspersonen haben wir Informationen zur Person, aber Trainer*innen sind bisher häufig die großen Unbekannten. Durch den Trainerpass können die Schiedsrichter*innen auch schnell ihre Ansprechpartner*innen erkennen und im Rahmen der Zonierung für Ordnung sorgen. Die Pilotphase in Offenbach hat gezeigt, dass Personen, die einen solchen Pass tragen, sich besonnener verhalten“, so Geiß. „Ein weiterer Vorteil ist, dass wir Schulungs- und Fortbildungsmaßnahmen direkter an Übungsleiter*innen kommunizieren können. Das ist auch notwendig, da 80-90 Prozent der Trainierenden keine Lizenz besitzen. Vorher sind diese Infos im elektronischen Postfach verloren gegangen.“ Nach den Schulungen, die - soweit es das Pandemiegeschehen zulässt - rechtzeitig vor Beginn der neuen Saison durchgeführt werden, sollen die Pässe in allen Ligen des HFV getragen werden.

Der Trainerpass ist eine wegweisende Erfindung des Hessischen Fußball-Verbandes, an der auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) laut Geiß brennendes Interesse zeigt und die Einführung in höchsten Tönen lobt. „Wichtig ist vor allem, dass diese Werte auch gelebt werden“, erklärt Geiß und gibt einen Einblick in zukünftige Aktivitäten der Kommission für Gesellschaftliche Verantwortung: „Wir sind gerade dabei, mit der Sportjugend Hessen ein Kinderschutzkonzept aufzubauen. Wir haben zwar schon eins, aber wir werden es nochmal auf den Prüfstand stellen und weitere Maßnahmen aufnehmen. Es geht dabei um Lizenzverlängerung, Prävention und Intervention. Wir haben beim Verbandstag einen besonderen Kinderschutz in unsere Satzung aufgenommen, das ist etwas Besonderes für einen Landesverband.“ Der HFV geht in Sachen Fairplay also weiterhin voran.

Wortlaut der Grünberger Erklärung des Verbandsvorstandes des Hessischen Fußball-Verbandes:
Präsidium und Verbandsvorstand des Hessischen Fußball-Verbandes verurteilen die in den letzten Wochen verstärkt aufgetretenen Fälle von Gewalt auf unseren Sportplätzen, insbesondere gegen Schiedsrichter, auf das Schärfste. Den Betroffenen wünschen wir eine schnelle Genesung und sagen den Tätern unsere unnachsichtige Ahndung der Vorfälle an. Rassismus, Antisemitismus, Beleidigungen, Bedrohungen, Gewalt und jede Form von Diskriminierung haben in unserer Fußballgemeinschaft keinen Platz. Der Hessische Fußball-Verband e.V. setzt sich zu jeder Zeit für ein faires Miteinander auf und neben dem Sportplatz ein.

Fair Play bedeutet neben der korrekten Umsetzung der sportlichen Regeln vor allem auch Fairness, Chancengleichheit und Respekt im täglichen Miteinander. Dafür tragen Vorstand, Trainerinnen und Trainer, Betreuerinnen und Betreuer, Spielerinnen und Spieler, Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter, Verbandsmitarbeiterinnen und Verbandsmitarbeiter sowie Zuschauerinnen und Zuschauer und alle weiteren beteiligten Personen die Verantwortung. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, respektiert zu werden unabhängig von ethnischer Herkunft, Religion und Weltanschauung, Alter, Behinderung, Geschlecht oder sexueller Identität.

Wer sich nicht an die Grundsätze von Fair Play und die Fußballregeln hält, hat keinen Platz in unserer großen Fußballfamilie.

Jeder, der sich dem Fußball verbunden fühlt, jeder, der unsere Schiedsrichter kritisiert, beleidigt oder bedroht, ist aufgefordert, sich der Schiedsrichterausbildung zu stellen und selbst Spiele zu leiten.  
Der Fußball, die Vereine und Verbände können nicht der alleinige Reparaturbetrieb für Fehlentwicklungen in unserer Gesellschaft sein. Wir wollen und werden unseren Beitrag leisten, um das gesellschaftliche Miteinander zu fördern. Hierfür müssen die politischen Rahmenbedingungen neu justiert, die Demokratie gestärkt werden und die finanziellen Spielräume für das Ehrenamt erweitert werden, statt durch immer neue bürokratische Auflagen zu demotivieren.