Gerd Schugard im Gespräch: „Gelassenheit, Toleranz und Respekt“

07. Januar 2022 · Top-News · von: Andreas Reuter

Verbandsschiedsrichterobmann Gerd Schugard blickt im Interview mit dem Beauftragten für Öffentlichkeitsarbeit, Andreas Reuter, auf das Fußballjahr 2021 zurück.

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Das Fußballjahr 2021, welches leider wieder durch die Corona-Pandemie geprägt war, liegt fast hinter uns. Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf das hessische Schiedsrichterwesen?
Es war zu befürchten, dass uns durch die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Lockdown zahlreiche Schiedsrichter verloren gehen würden. Diese Befürchtung hat sich nicht bewahrheitet und der Rückgang der einsetzbaren Schiedsrichter hielt sich in Grenzen. Deutlich spürbar ist allerdings, dass die Einsatzbereitschaft der zur Verfügung stehenden Schiedsrichter nicht mehr in dem Maße vorhanden ist, wie vor der Corona-Pandemie. Wer in der Vergangenheit bereit war, am Wochenende mehr als eine Spielleitung zu übernehmen, steht derzeit aus nachvollziehbaren Gründen maximal für eine Spielleitung zur Verfügung. Hier werden insbesondere die Kreise vor Ansetzungsprobleme gestellt, die kaum zur Zufriedenheit gelöst werden können.

Wie fällt Ihr bisheriges Fazit für das Schiedsrichterwesen in dieser Saison 2021/2022 aus, in der ja zum Glück fast alle Spiele durchgeführt werden konnten?
Wir sind froh, dass wir trotz aller Erschwernisse den bisherigen geregelten Spielbetrieb gewährleisten konnten. Die uns zur Verfügung stehenden Schiedsrichter waren bereit, sich den jeweiligen Verordnungslagen zu unterziehen und mancherlei Erschwernisse auf sich zu nehmen. Dies begann mit der Anreise von Schiedsrichter und Schiedsrichterassistenten in einem gemeinsam genutzten Fahrzeug, bis hin zur gemeinsamen Benutzung der zur Verfügung stehenden Umkleidekabine. Dinge, die wir in der Vergangenheit als selbstverständlich hingenommen haben, jetzt aber nur unter Beachtung der jeweiligen Vorgaben möglich waren.

Anfang September fand der Verbandstag des Hessischen Fußball-Verbandes statt. Wie bewerten Sie die schiedsrichterrelevanten Beschlüsse?
Wir können ein uneingeschränkt positives Fazit ziehen. Wir haben in langen Vorbereitungen gemeinsam mit Präsidium und Verbandsvorstand Änderungsanträge erarbeitet und eingebracht, die die Zustimmung der Delegierten fanden. Dass unser Vorschlag auf Neufassung der Schiedsrichter-Pflichtsollberechnungen ohne Gegenstimmen angenommen wurde, finde ich besonders erwähnenswert. Wir gehen davon aus, ein besseres, weil gerechteres System zur Abstimmung vorgeschlagen und damit die Delegierten überzeugt zu haben.

Vor Beginn der Corona-Pandemie kam es leider immer häufiger zu Gewaltvorfällen gegen Schiedsrichter*innen. Wie ist hier die aktuelle Entwicklung und welche Maßnahmen können dazu beitragen, dass sich solche Vorfälle in Zukunft hoffentlich nicht mehr wiederholen?
Leider mussten wir feststellen, dass es auch nach Wiederaufnahme des Spielbetriebs im zweiten Halbjahr dieses Jahres zu einer Vielzahl von Fällen von massiven Beleidigungen, Bedrohungen bis hin zu tätlichen Angriffen auf Schiedsrichter kam. Wenn beispielsweise bei einem Freundschaftsspiel zweier A-Juniorenmannschaften der Trainer einen jungen Schiedsrichter während des Spieles wiederholt massiv beleidigt und bedroht und dieser sich zum Spielabbruch gezwungen sieht, wenn einem Schiedsrichter nach dem Spiel der Zugang zur Umkleidekabine verwehrt wird und er vor der Kabine massiven Bedrohungen ausgesetzt ist, wenn Schiedsrichter von Spielern getreten und geschlagen werden, wenn Polizeibeamte nach dem Spiel einschreiten müssen, um Schutz zu gewährleisten, dann ist das Maß der Zumutbarkeit für Schiedsrichter überschritten. Wenn wir nicht gemeinsam in der Lage sind, diesen Übergriffen Einhalt zu gebieten, brauchen wir uns den Themen „Schiedsrichtergewinnung und Schiedsrichtererhaltung“ nicht mehr zu widmen. Ich frage mich immer wieder, wie Vereine reagieren, deren Schiedsrichter bei Spielleitungen auf fremden Plätzen Opfer von Übergriffen werden. Ist man bereit, seinen Vereinsschiedsrichter diesen Verhältnissen widerspruchslos auszusetzen? Deswegen fordere ich hier gemeinsame Solidarität mit unseren Schiedsrichtern ein. Wir werden zukünftig nach massiven Beleidigungs-, Bedrohungslagen und nach tätlichen Angriffen bis zum erstinstanzlichen Sportgerichtsurteil keine Schiedsrichter bei den verursachenden Mannschaften zum Einsatz bringen.  

Was sind Ihre Wünsche für das kommende Jahr 2022?
Gerade die derzeitige Coronalage stellt den Wunsch nach Gesundheit in den Vordergrund. Natürlich sehnen wir wieder unser Fußballgeschehen, wie wir es uneingeschränkt vor Corona erleben durften, zurück. Und wenn es dabei zukünftig gelingen sollte, Gelassenheit, Toleranz und Respekt erkennbar einfließen zu lassen, dann wären meine Wünsche für 2022 erfüllt.  
   
Vielen Dank für das Gespräch.