Fast 3000 Spielleitungen: Kurt Kost wurde 80 Jahre alt

31. Dezember 2021 · Top-News · von: Text & Foto: Michael Nickolaus (Wetterauer Zeitung)

Der Kellerraum ist mit Vereins-Wimpeln geschmückt, ja regelrecht tapeziert. Rund 200 Erinnerungsstücke hängen hier an den Wänden. Annähernd 3000 Fußball-Spiele hat Kurt Kost in fünf Jahrzehnten als Unparteiischer geleitet. Er kennt die Kreisliga-Sportplätze ebenso wie die Stadien der Bundesliga.

In 1980er-Jahren war Linienrichter in der ersten Liga, hatte in der zweiten Liga selbst die Pfeife in der Hand. Am 22. November feierte der Referee aus Nieder-Wöllstadt seinen 80. Geburtstag – und ist als Mitglied im Kreissportgericht, als Zuschauer im Amateurbereich sowie bei Eintracht Frankfurt dem Fußball noch immer eng verbunden.

Kurt Kost kommt bei einem Kaffee schnell ins Plaudern. Er kann viele Geschichten und Anekdoten erzählen; mit Details geschmückt. Von Telefon-Terror, von internen Klüngeln, von Kuriositäten, von Dialogen mit den Profis oder aber von seinem Treffen mit Elton John. Die Pop-Legende war Präsident des FC Watford aus der Premier League, als Kost für einen letztlich einmaligen internationalen Einsatz nominiert worden war und den Künstler kennenlernen durfte. „Der war überhaupt nicht abgehoben. Im Gegenteil, er wollte wissen, ob man sich um uns gekümmert habe und wir unser Geld bekommen hätten.“ Aus der Nachbarschaft hatte Kost gar Autogrammwünsche an Elton John herantragen können. In der Saison 1983/84 assistierte Kost beim UEFA-Cup-Achtelfinal-Rückspiel gegen Sparta Prag seinem Landsmann Aron Schmidthuber. Zweifellos der Höhepunkt seiner Laufbahn.

1958, als 16-Jähriger, hatte Kost die Schiedsrichter-Prüfung abgelegt, nach einer „Esels-Tour“ durch die Wetterau war er 1973 in der Oberliga angekommen, drei Jahre war er Linienrichter in der zweiten Liga, rückte 1980 als Assistent in die Bundesliga auf und leitete 1983 mit dem Duell FC St. Pauli - SG Wattenscheid 09 seine erste Zweitliga-Partie.

Die zweite prägende Erinnerung aus all den Jahren als Unparteiischer war das Spiel des FC Bayern München gegen den 1. FC Nürnberg am Oktoberfest-Samstag 1985 vor 74.000 Zuschauern im Olympiastadion. Einen Schuss von Sören Lerby hatte „Club“-Verteidiger Thomas Brunner noch so eben von der Linie gekratzt; für Kost aus seiner Position – quasi im Rücken des Spielers – nicht zu erkennen. Er signalisierte dem Schiedsrichter fälschlicherweise ein reguläres Tor. In Halbzeit zwei scheiterte Roland Grahammer per Strafstoß an Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff, der sich allerdings viel zu früh bewegt hatte, Kost signalisierte dies, doch entschied Referee Rainer Jupe, auf eine Wiederholung zu verzichten. Für die „Club“-Fans war Kost der Sündenbock der Niederlage. Über Monate hinweg wurde seine Familie von Anhängern zu Hause telefonisch terrorisiert. „Das war keine leichte Zeit“, erinnert er sich. Selbst eine Geheimnummer war ihm angeboten worden. Heutzutage würde die Torlinientechnik unmittelbar Klarheit schaffen. „Wir hatten eben keine 30 Kameras – und wir sind doch irgendwie zurechtgekommen“, sagt Kost zum technischen Wandel.

Privat mit seiner Frau Marieluise und beruflich mit der VDO als Arbeitgeber - dort war er Abteilungsleiter Werksinstandhaltung - hatte Kost verständnisvolle Partner an seiner Seite. Mittwochsmorgens bei der Frühstückspause sei er beispielsweise angerufen worden, dass er abends in Gelsenkirchen einspringen müsse. Da hat keiner gefragt, ob das geht. Er erinnert sich, dass in Saarbrücken ein Tor einige Zentimeter zu niedrig gewesen sei, er habe die Höhe nachgemessen. Der Referee berichtet – heute undenkbar – auch von zwei Einsätzen im Profi-Bereich binnen 24 Stunden, oder vom Dialog mit einem Schatzmeister eines Bundesligisten, der auf Grund des Regens das Spiel gerne verschoben hätte, weil das Wetter die Fans vom Stadionbesuch abhalte.

Vom Hessischen Fußball-Verband hat Kost die Goldene Ehrennadel verliehen bekommen. Als 68-Jähriger hat er in Wirtheim nahe Bad Orb sein letztes Pflichtspiel gepfiffen. Knapp zwei Jahrzehnte lang war Kost, der seit 1974 für die KSG Bönstadt pfeift, als Schiedsrichter-Lehrwart und im Anschluss ebenso lange als Beobachter aktiv. Heute ist er Mitglied im Kreissportgericht, verfolgt die Bundesliga und deren Spielleiter intensiv vor dem Fernsehgerät und schaut auch gerne auf den Sportplätzen – besonders in Oberau und Bad Vilbel – vorbei und wird bald auch in Frankfurt wieder auf der Tribüne sitzen. „Mit der Eintracht hatte ich’s ja schon als kleiner Bub.“