Ein Präzedenzfall mit unabsehbaren Folgen?

06. März 2013 · Allgemein · von: Frank Thumm, WFV

Verletzungen und ihre rechtlichen Folgen

Regelverstöße sind zunächst ein Fall für den Schiedsrichter und die Sportgerichte. Danach kann es aber auch noch in die zivilrechtliche Verlängerung gehen. Ein durch ein Foulspiel schwerverletzter Kreis- ligaspieler hat jüngst vor dem OLG Hamm eine Schmerzensgeld- forderung in Höhe von 50.000 Euro durchgesetzt. Frank Thumm, Leiter der Rechtsabteilung im Württembergischen Fußballverband, erklärt den Umgang mit solchen Fällen und gibt hilfreiche Tipps zum Thema Schadensersatz, Haftpflichtversicherung und Co.  

In welchen Fällen drohen Schadensersatzansprüche?

Für den Fußball wie auch andere Mannschaftskampfsportarten lassen sich die von der Rechtsprechung auf Grundlage des allgemeinen Schadensersatzrechts entwickelten Haftungsgrundsätze wie folgend zusammenfassen:
- Verletzungen, die auf ein regelgerechtes Zweikampfverhalten zurückzuführen sind, begründen keine Schadensersatzansprüche.
- Auch Verletzungen durch geringfügige Regelverstöße, beispielsweise aufgrund übereifrigen Spieleinsatzes, aus Unüberlegtheit oder infolge wettkampfbedingter Übermüdung, haben in der Regel keine Schadensersatzansprüche zur Folge.
- Nur wenn der Regelverstoß so gravierend ist, dass die Grenze zwischen noch gerechtfertigter Härte und unzuläs- siger Unfairness überschritten ist, kann bei Verletzungsfolgen mit Aussicht auf Erfolg Schadensersatz geltend gemacht werden.

Wo die Probleme dann in der Praxis liegen, ist offensichtlich. Oft stehen die Gerichte vor der schwierigen Aufgabe, die zwar regelwidrige, aber noch gerechtfertigte Härte von der unzulässigen Unfairness abzugrenzen. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit beim Kläger. Gelingt es ihm nicht, durch Zeugenaussagen oder andere Beweismittel das Gericht davon zu überzeugen, dass nicht nur ein geringfügiger Regelverstoß vorliegt, wird er leer ausgehen. Prozess- ual ist dabei die Bewertung durch den Schiedsrichter nur ein Anhaltspunkt von vielen. Tatsächlich aber messen die Gerichte dessen Angaben große Bedeutung bei, was in der Regel aufgrund der Fachkunde und einer vorausgesetzten Neutralität auch sachgerecht ist.

Haftungsprivileg für Berufssportler

Dass auch bereits fahrlässig herbeigeführte Verletzungen Schadensersatzansprüche begründen können, gilt aber nicht, soweit Berufssportler betroffen sind. Das OLG Karlsruhe hat erst im Oktober 2012 dazu festgestellt, dass in diesen Fällen die Haftung durch das Haftungsprivileg der gesetzlichen Unfallversicherung beschränkt ist. Wenn Ange- hörige verschiedener Betriebe in einer Betriebsstätte zusammenarbeiten, sind Personenschäden nur zu ersetzen, wenn sie vorsätzlich herbeigeführt werden.

Arbeiten also beispielsweise mehrere Handwerksbetriebe auf einer gemeinsamen Baustelle zusammen, sollen Schadensersatzauseinandersetzungen untereinander bei lediglich fahrlässigem Handeln zur Wahrung des Friedens vermieden werden. Das soll entsprechend auch im Berufssport gelten. Dann ist das Spielfeld die gemeinsame Betriebs- stätte, auf der die Berufssportler im rechtlichen Sinne zusammenwirken, selbst wenn sie sich im sportlichen Wettkampf gegenüberstehen.

Und wie teuer kann es werden?

Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach besteht, richtet sich der Blick auf die konkreten Rechtsfolgen. Je nach Verletzung kann der Schadensersatzanspruch schnell beachtliche Höhen erreichen. Denn selbst Folgeschäden aufgrund von Komplikationen oder nach Behandlungsfehlern sind zu ersetzen, soweit diese nicht außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen.

Zu erstatten sind dem geschädigten Spieler zunächst sämtliche Vermögensschäden, die er durch die Verletzung erlitten hat. Das können zum Beispiel sein:
- Entgangener Gewinn eines Selbstständigen
- Einkommenseinbußen bei nichtselbstständiger Arbeit
- Von der Krankenversicherung nicht erstattete Behandlungskosten
- Anwaltskosten

Doch es besteht nicht nur ein Anspruch auf Ersatz der Vermögensschäden. Daneben kann der verletzte Spieler auch ein Schmerzensgeld beanspruchen. Dessen Höhe ist aber ungleich schwieriger zu bestimmen. Der Gesetzgeber spricht hier davon, dass eine «billige Entschädigung» gefordert werden kann. Entscheidend für die Bemessung sind u. a. die Schwere der Verletzung, die Dauer eines stationären Krankenhausaufenthalts, die Dauer der Arbeitsunfähigkeit sowie psychische und soziale Nachteile. Ein Betrag von 50.000 Euro wird nach diesen Kriterien nur in ganz gravierenden Fällen wie dem vorliegenden erreicht werden können.

Ansprüche von Krankenversicherern und Arbeitgebern

Neben den Ansprüchen des unmittelbar geschädigten Spielers schlagen in der Praxis aber häufig vor allem die Ansprüche mittelbar betroffener Dritter ganz erheblich zu Buche. Zum einen versuchen die Krankenversicherer, die von Ihnen zunächst verauslagten Behandlungskosten zu regressieren, zum anderen sind es die Arbeitgeber verletzter Spieler, die sich schadlos halten möchten. Die Erfolgsaussichten sind für beide gut, soweit eine Haftung dem Grunde nach besteht. Die Behandlungskosten werden in der Regel zunächst von der Krankenversicherung des verletzten Spielers übernommen. Dessen Schadensersatzanspruch geht dann aber insoweit auf die Krankenversicherung über. Der betreffende Gegenspieler muss dann also damit rechnen, für Krankenhaus oder Rehaaufenthalte in voller Höhe in Anspruch genommen zu werden.

Ähnlich verhält es sich, wenn ein verletzter Spieler als abhängig Beschäftigter seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann. Hier ist der Arbeitgeber bis zur Dauer von sechs Wochen zur Entgeltfortzahlung verpflichtet, obwohl er keine Gegenleistung erhält. Auch insoweit geht dann der Schadensersatzanspruch über und der Arbeitgeber kann das entrichtete Arbeitsentgelt einschließlich der Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung geltend machen.

Was zahlt die Haftpflichtversicherung?

Über die ARAG-Sportversicherung können grundsätzlich die Mitgliedsvereine der Fachverbände sowie deren Einzel- mitglieder Versicherungsleistungen in Anspruch nehmen. Der Versicherungsschutz erstreckt sich damit auch auf Spieler. Allerdings ist der Haftpflichtversicherungsschutz ausdrücklich ausgeschlossen, soweit es um Ansprüche versicherter Mitglieder untereinander geht. In den dargestellten Fällen besteht somit bereits deshalb kein Versicherungs- schutz.

Um Haftungsrisiken zu vermeiden, empfiehlt sich daher der Abschluss einer geeigneten privaten Haftpflichtver- sicherung. Die Sportversicherung gewährt nur ergänzenden Versicherungsschutz und kann eine private Vorsorge nicht ersetzen. Aber selbst dann sind Fälle denkbar, in denen die Haftpflichtversicherung nicht eintritt. Wird eine Verletzung vorsätzlich her beigeführt, ist nämlich der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet.