Doppelinterview mit Frank Illing und Jens Prüller zum Thema Sportinfrastruktur

11. August 2022 · Top-News · von: HFV

Mit Blick auf die Energiekrise, mögliche Schließungen von Sportstätten und dem Bedarf klimaneutraler Infrastruktur ist das Thema Sportinfrastruktur mehr denn je in den Fokus von Vereinen und Sportorganisationen gerückt. Wir haben in diesem Zusammenhang mit Frank Illing (Vorsitzender der HFV-Kommission Sportinfrastruktur) und Jens Prüller (lsb h Geschäftsbereichsleiter Sportinfrastruktur) gesprochen.

Sportstätten in der Energiekrise [Foto: Getty Images]

Redaktion: Der Hessische Fußball-Verband beschäftigt sich seit einem Jahr noch stärker mit dem Thema Sportinfrastruktur. Was ist Hintergrund und Ziel der Bemühungen?

Illing: Um Fragen und Themengebiete der Sportinfrastruktur zu bündeln und die strukturellen Rahmenbedingungen zu schaffen, hat das Präsidium des HFV eigens die Kommission Sportinfrastruktur gegründet. Die Kommission kümmert sich um die Bedarfsermittlung im Hinblick auf rückständige Sportinfrastruktur in ländlichen und strukturschwachen Regionen. Darüber hinaus entwickelt das Gremium ein Aktions- und Strategiepapier zur Initiierung systematischer Lobbyarbeit auf Kreis- und Verbandsebene.

Redaktion: Die Energiekrise hat uns in Deutschland fest im Griff. Welche Auswirkungen auf den Sport sind in den kommenden Monaten zu erwarten?

Prüller: Die finanziellen Belastungen durch Preissteigerungen machen auch vor den Sportvereinen nicht halt. Die Sportvereine werden von der aktuellen Krise nach der Pandemie erneut auch finanziell getroffen. Darüber hinaus ist ein Energie-Lockdown für den Sport zum Zwecke des Energiesparens ein realistisches Szenario.

Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) warnt allerdings eindringlich davor, in der sich abzeichnenden Energiekrise die Fehler aus der Corona-Pandemie zu wiederholen und Schwimmbäder und weitere Sportstätten erneut zu schließen.

Redaktion: Vor dem Hintergrund steigender Energiepreise und nachhaltiger Sportstättenentwicklung werden es sicherlich viele Vereine und Kommunen schwer haben, ihre Sportstätten weiter zu betreiben. Ist es überhaupt notwendig, dass beispielsweise in einer Spielgemeinschaft jeder Stammverein sein eigenes Sportgelände benötigt?

Illing: Stellt man den hohen Investitionsstau, steigende Betriebskosten, den Bedarf energetischer Sanierungen und den Flächenverbrauch von Sportstätten dem Nutzungsgrad gegenüber, müssen wir im Sinne des Gemeinwohls sicherlich auch kritisch hinterfragen, ob jeder Stammverein seine eigene Sportstätte benötigt, wenn diese nur selten genutzt wird. Eine Konsolidierung der Aktivitäten auf einer Sportanlage spart Kosten und reduziert den Flächenverbrauch. Nicht mehr genutzte Fußballplätze könnten beispielsweise in Photovoltaik-Flächen umgewandelt werden.

Redaktion: Die Energiekrise zeigt, wie wichtig es ist, Sportstätten zu dekarbonisieren und unabhängig von fossilen Energieträgern zu machen. Was können Sportstättenbetreiber konkret tun und welche Unterstützungsleistungen bieten Sport und Politik?

Prüller: Langfristig gilt es, die Sportstätten von fossilen Energien unabhängig zu machen. Die Sportinfrastruktur in Deutschland ist meist veraltet und energetisch ineffizient - die Herausforderung riesig! Die Ziele sind klar definiert – alle Nichtwohngebäude und damit auch alle Sportstätten sollen bis zum Jahr 2040 ohne Öl und Gas beheizt und betrieben werden.

Mit umfassenden energetischen Beratungen (Öko-Checks/Energiechecks), darauf basierenden Investitionen und zusätzlichen Förderlinien (Investitionszuschüsse/zinslose Darlehen) kann die Umrüstung auf regenerative Energieträger vorangetrieben werden.

Redaktion: Der Landessportbund Hessen richtet die 9. sportinfra – Sportstättenmesse und Fachtagung am 2. und 3. November 2022 in Frankfurt am Main zum Thema: „Klimaneutrale Sportstätten“ aus. Worauf können sich die Besucher*innen freuen?

Prüller: Der Landessportbund Hessen e.V. (lsb h) veranstaltet mit dem Deutschen Olympischen Sportbund, dem Bundesinstitut für Sportwissenschaft sowie dem Sportland Hessen die 9. sportinfra – Sportstättenmesse und Fachtagung zum Thema: „Klimaneutrale Sportstätten“.

Annähernd 70 Aussteller werden in der Sportschule und Bildungsstätte des lsb h mit Ihrem Know-how rund um die Sportstätten zu Verfügung stehen. Parallel dazu findet an beiden Tagen eine Fachtagung mit 11 Fachforen zu unterschiedlichen Themen statt. Schwerpunkte bilden: Klimaneutrale Sportstätten, Sport- und Bewegungsräume, Zukunftsperspektiven im Sport, Sportentwicklungsplanung, Nachhaltigkeit im Sport sowie Fördermöglichkeiten von Bund und Land. Die sportinfra bietet für dringliche Zukunftsthemen eine breite Basis des Austauschs und des Wissenstransfers.

Redaktion: Das Hessische Ministerium des Innern und für Sport baut aktuell eine Sportstättendatenbank auf. Was verbirgt sich konkret dahinter?

Illing: Das Land Hessen stellt in Kooperation mit dem Landessportbund Hessen eine Sportstättendatenbank zur Verfügung, die zukünftig alle Sportstätten und Bewegungsräume in Hessen mit den relevanten Informationen, wie Ausstattung oder möglichen Sportarten, abbilden soll.

Die Sportstättendatenbank ermöglicht es den Kommunen, die Sportstättendaten dezentral sowie anwenderfreundlich zu pflegen. Sie soll unter anderem auch die internen Prozesse in der öffentlichen Verwaltung unterstützen. Die Vereine wurden in Zusammenarbeit mit dem lsbh zu Beginn des Jahres aufgefordert, ihre Daten einzugeben bzw. die Bestandsdaten zu überprüfen und freizugeben. Zur Zeit werden noch kleinere Datenbankabfragen programmiert und ab dem kommenden Jahr soll der Sportatlas dann online jedem zu Verfügung stehen.

Redaktion: Vielen Dank für das Gespräch!