Abenteuer Armenien: Hanauer Gespann pfeift Topspiel

23. Dezember 2021 · Top-News · von: Nils Moock (Hanauer Anzeiger)

Es ist eine dieser Geschichten, die so wohl nur der Sport schreiben kann: Im November pfiffen vier Hanauer Schiedsrichter das U18-Spitzenspiel in der armenischen Jugendbundesliga. Für das eingeschworene Schiedsrichtergespann um Philipp Götzl-Mamba, Kevin Kuchler, Steffen Maaß und Christopher Bedikian war es nicht nur ein Fußballspiel, sondern eine Reise, die sie so schnell nicht mehr vergessen werden.

Das Hanauer Gespann: Kevin Kuchler, Philipp Götzl-Mamba, Christopher Bedikan und Stefan Maaß (v.l.). Foto: Götzl-Mamba

Doch, wie kommen vier Hanauer Schiedsrichter dazu, ein U18-Spitzenspiel in Armenien zu pfeifen? Angefangen hat alles diesen September in Stuttgart. Dort traf die armenische Nationalmannschaft um Superstar Henrikh Mkhitaryan und Bundesligaspieler Sargis Adamyan in der WM-Qualifikation auf das deutsche Team. Die Armenier landeten damals auf dem Stuttgarter Flughafen. Verantwortlich für die Abfertigung des armenischen Flugzeugs war der Kesselstädter Christopher Bedikian, der als Betriebsleiter seiner Firma an fünf deutschen Flughäfen tätig ist. Der 37-Jährige mit armenischen Wurzeln hatte schon lange den Traum, gemeinsam mit seinen Hanauer Schiedsrichterkollegen ein Fußballspiel im Ausland zu leiten.

Bedikian hat die armenischen Kicker in Stuttgart in Empfang genommen und sich vor Ort um alles gekümmert. Im Oktober kam die Truppe erneut nach Deutschland, diesmal für ein Trainingslager nach Frankfurt – Kontaktperson war erneut Bedikian. „Ich bin mit den Verantwortlichen des armenischen Teams in Kontakt geblieben und habe ihren Flug dann auch in Frankfurt abgefertigt und ihnen einen Bus organisiert. Ich habe damals die Chance ergriffen, um den Traum, den wir hatten, ein Stück näherzukommen, und habe einen Brief an den Präsidenten des armenischen Fußballverbands geschrieben. Darin habe ich gefragt, ob wir vier eventuell mal ein Spiel in Armenien pfeifen könnten. Die Bestätigung kam dann schnell und auch der DFB stimmte dem Ganzen zu,“ erzählt Bedikian, der eigentlich auf hessischen Fußballplätzen Kreisoberligaspiele leitet, stolz.

Nur einen Monat später saßen Bedikian und seine Jungs von der Schiedsrichtervereinigung, die sich schon seit rund 20 Jahren kennen, im Flugzeug nach Armenien. „Am Tag nach unserer Ankunft hatten wir eine Privataudienz beim Präsidenten des armenischen Fußballverbands, bevor wir dann an die Football Academy gebracht wurden, wo wir das Spiel pfeifen sollten. Das war eine hoch moderne Anlage mit acht oder neun Fußballplätzen,“ schildert der Schiedsrichter seine Eindrücke. Bedikian selbst fungierte als vierter Offizieller, ließ seinem Kollegen, Philipp Götzl-Mamba, als „Hauptschiedsrichter“ den Vortritt. Ein Erlebnis, das er so schnell nicht vergessen wird: „Ich hatte schon vor unserer Reise richtig Lust auf das Abenteuer mit den Jungs. Dass man uns überhaupt zutraut, so ein Spitzenspiel in der Jugendbundesliga zu pfeifen, zeigt, welch großes Vertrauen uns entgegengebracht wurde. Und ich muss schon sagen, dass das spielerisch auf einem sehr hohen Niveau war. Kommunikationsprobleme gab es auch nicht. Denn Karten und Pfeifen sind universell. Das verstehen alle.“  

Doch mit Ende des Spiels war für die vier Männer das „Abenteuer“ Armenien noch lange nicht vorbei: Es folgte nämlich nicht nur eine Einladung zum Abschlusstraining der armenischen Nationalmannschaft, bei dem die Spieler sich „super nahbar“ gegeben haben, sondern auch für das Spiel gegen Deutschland.  

Vor dem Länderspiel machte das Hanauer Schiedsrichtergespann, über das sogar im armenischen Fernsehen berichtet wurde, neben Sightseeing in der armenischen Hauptstadt Jerewan noch Bekanntschaft mit einer Kuhfüßesuppe, einem traditionellen armenischen Gericht. Anschließend ging es zum Spiel, wo sie auf Sky Sport News-Reporter Uli Köhler trafen, der sie in einer Live-Schalte interviewte. Völlig unerwartet hat der Kit-Manager der armenischen Nationalmannschaft die vier Schiedsrichter am Abend vor ihrer Abreise zu sich nach Hause zum Abendessen eingeladen. „Das war eine unglaubliche Gastfreundschaft, die uns entgegengebracht wurde. Es wurde dick aufgetischt und zum Abschluss hat jeder von uns noch ein Armenien-Trikot mit Namensbeflockung bekommen. Ich bin so glücklich, dass die Jungs das alles mitgemacht haben, dass ich ihnen meine Wurzeln näherbringen durfte,“ meint Bedikian sichtlich gerührt.

Und auch sein Freund Götzl-Mamba ist froh, die Reise trotz Corona-Bedenken mitgemacht zu haben: „Wir hatten in den letzten Monaten so viele negative Schlagzeilen, in denen die Schiedsrichter im Mittelpunkt standen, egal ob Spielabbrüche oder Angriffe auf Schiedsrichter. Das war jetzt mal ein richtig positives Erlebnis, das mir noch mal klargemacht hat, warum ich Schiedsrichter geworden bin: Weil Fußball Menschen und Kulturen verbindet. Der armenische Verband hat alles super durchorganisiert, die Gastfreundschaft war gigantisch. Das sind Erlebnisse, die hat man ganz selten im Leben.“