21 | Redaktionsgespräch Amt sein. Welche Prioritäten setzen Sie in der Zeit? Neben der Spielklassenreform geht es mir hauptsächlich darum, die Situation auf den Sportplätzen zu beruhigen. Ich bin ein Befürworter der Einführung des Trainerpasses in Hessen, mit dem wir im Kreis Groß-Gerau sehr gute Er- fahrungen gemacht haben, weil dann jeder an einer Art Umhängekarte den richtigen Ansprechpartner gleich er- kennt. Ich kann mir vorstellen, dass durch entsprechende Schulungen die Trainer stärker miteinander in Kontakt kommen und eine Vorbildfunktion für ihre Spieler ausfüllen können, was das Verhalten auf den Plätzen angeht. Wir werden die Vereinsvertreter stärker schulen, wir haben bereits Fairplay- Beobachter für Spiele installiert, bei denen es Hinweise auf zu erwarten- de Schwierigkeiten gibt, und wir wer- den Sicherheits-Richtlinien erarbeiten, die bis in die unteren Klassen den Ver- einen ermöglichen, stärker auf das Ge- schehen auf den Sportplätzen einzu- wirken. Neben der Gewalt ist auch das Schiedsrichterwesen ein Dauerthe- ma im Amateurfußball. Wie sehen Sie da die Entwicklung? Wir müssen zweigleisig vorgehen. Wir müssen das Image des Schiedsrichters verbessern und für Respekt auf den Plätzen sorgen. Diese unsäglichen Ru- delbildungen und diese „Hey Schiri“- Schreiereien müssen aufhören. Und dann gelingt es uns vielleicht auch, über neue Ansätze für Nachwuchs zu sorgen, beispielsweise über eine Schul- AG innerhalb einer Projektwoche. Die Wiedereinführung der Zeitstra- fen war ein Pilotprojekt in Hessen. Wie fällt die Bilanz aus? Die Rückmeldungen sind sehr hetero- gen. Ich würde fast sagen, die eine Hälf- te ist dafür und die andere dagegen. Manche bevorzugen die Gelb-Rote Kar- te mit einem Spiel Sperre, andere sehen eine Beruhigung der Spieler durch die Zeitstrafen. Nach dem frühen WM-Aus der deut- schen Nationalmannschaft hat wie- der einmal eine Diskussion um die Jugendarbeit begonnen. Wie sehen Sie diese und was muss sich Ihrer Meinung nach ändern? Mit der Spielform Funino für die Jüng- sten sind wir auf dem richtigen Weg, weil wir dadurch die Spielerinnen und Spieler früh befähigen, selbst Entscheidungen zu treff en. Und das hat dann auch Auswirkungen auf hochbe- zahlte Jungprofi s, die ihren gesamten Alltag organisiert bekommen, was aber für ihre Persönlichkeitsentwicklung kontraproduktiv ist. Diese Talente müs- sen wieder mehr Selbstverantwortung bekommen. Die Nationalmannschaft ist das Zugpferd des deutschen Fußballs. Zuletzt wurde Kritik an den hohen Eintrittspreisen und späten Anstoß- zeiten bei Länderspielen laut. Wie sehen Sie das? Rudi Völler hat ja gesagt, wir müssen wieder näher an die Fans ran. Das se- hen viele Vereinsvertreter so, auch ich. Auch wenn die Spielzeiten an TV-Über- tragungszeiten orientiert sind, die das meiste Geld bringen: Es muss doch möglich sein, ein- oder zweimal im Jahr eine Art „Familien-Länderspiel“ anzu- bieten, wo man mit Kindern ins Stadion gehen kann, die am nächsten Tag in die Schule müssen, oder wo ich zuhause im Familienrahmen nicht bis 20.45 oder 21 Uhr warten muss, bis das Spiel losgeht. Hier ist der DFB gefordert, Zeichen zu setzen, auch was die Eintrittspreise an- geht, um die Kinder und Jugendlichen wieder näher an die Nationalmann- schaften heranzuführen. Wie sehen Sie die Position des Frau- enfußballs? Im HFV sehen wir, dass es in den ver- dichteten Regionen einen Zuwachs an Mädchen und Frauen gibt, die Fuß- ball spielen. Und da hat sicherlich das Auftreten bei der WM 2022 eine gravierende Rolle gespielt. Unsere Na- tionalelf kam sympathisch rüber, die Frauen haben mit Stolz und Engage- ment gespielt. Wir müssen in diesem Bereich noch stärker in die Zusam- menarbeit mit Schulen gehen. Das ist das A und O. Viele Mädchen haben In- teresse am Fußball, und die besseren setzen sich auch in den Jungenmann- schaften durch, aber die etwas schwä- cheren, die noch stärkere Förderung benötigen, verlieren oft die Lust, wenn sie mit den Jungen zusammenspielen. Für die muss es Angebote an Schulen geben. Sie haben Funino erwähnt als Spiel- form für die Jüngsten, was halten Sie von Gehfußball für die Älteren? Das ist für jeden Verein eine Bereiche- rung. Ich bin oft im Austausch mit Wer- ner Abraham vom FC Leeheim, der das jetzt im Grunde hessenweit schult. Es gibt positive Aspekte, die das Interes- se weiter befeuern werden: Bewegung im Alter, die „dritte Halbzeit“ und nicht zuletzt die Möglichkeit für Vereine, aus den Gehfußballern den Bereich der Eh- renamtlichen zu erweitern. Wenn Sie drei Wünsche frei hätten für Ihre Arbeit als Verbandsfußball- wart, welche wären das? Ein deutlich besseres Miteinander auf den Sportplätzen. Eine Vision für das zukünftige Fußballspielen in Hessen, die von der Mehrheit der Betroff enen akzeptiert wird. Und dass meine Frau das weiterhin so gut mitträgt wie bis- Interview: Heiko Weissinger her. (Darmstädter Echo) ZZUR PPERSON Robert Neubauer war von 2008 bis 2020 Groß-Gerauer Kreisfuß- ballwart. Im Anschluss wurde er Regionalbeauftragter für Darm- stadt, ehe er zum 1. Februar das Amt des Verbandsfußballwarts des Hesischen Fußball-Verban- des (HFV) übernahm. Der 67-Jäh- rige wurde in Walldorf geboren und ist seit 1966 Rüsselsheimer. Der Diplom-Sozialpädagoge, der von 2001 bis zu seiner Pen- sionierung 2018 das Rüsselshei- mer Sportamt leitete, wurde fuß- ballerisch beim SV Alemannia Königstädten groß. Dort wirkte er mehr als vier Jahrzehnte als Spieler, Trainer, Jugendleiter und Spielausschussvorsitzender. HESSEN-FUSSBALL 3/2023