21 | Redaktionsgespräch Interview mit Thomas Geiß: Nach den positiven Erfahrungen im Fußballkreis Off enbach wird es den Trainer- pass ab dieser Saison nun für alle Herren- und Frauen-Spielklassen geben. Die Coaches übernehmen als sichtbare Ansprechpersonen eine Vorbildrolle und tragen so zu einem wertsteigernden Verhalten untereinander bei. Der HESSEN- FUSSBALL hat sich darüber mit Thomas Geiß, dem Vorsitzenden der HFV-Kom- mission Gesellschaftliche Verantwortung, unterhalten. Warum wurde der Trainer*innen- pass eingeführt? 2019 entstand im Verbandsvorstand die Grünberger Erklärung als Reak- tion auf die aufgekommene Gewalt auf Hessens Sportplätzen, insbesonde- re gegen Schiedsrichter*innen. Es gab den Fall, dass ein Schiedsrichter ge- schlagen und per Hubschrauber ab- transportiert wurde. So konnte es nicht weitergehen. Der Verfall der Werte ist im Fußball genauso wie gesamtge- sellschaftlich wahrzunehmen. Im Rah- men der Erklärung wurden verschie- dene Maßnahmen beschlossen, unter anderem die Installierung von Sicher- heitsbeauftragten, Social-Media-Schu- lungen, Schiedsrichterobleute, Kon- fl iktmanager*innen-Ausbildung, Fair- play-Be obachter*innen und die Ein- führung des Trainer*innenpasses. Die Schulungen für den Trainer*innenpass werden jährlich wiederholt, so dass die Trainer*innen als verlängerter Arm des Verbandes auch die entsprechen- den Werte am Spielfeldrand hochhal- ten. Trainer*innen sollen sich als Teil des Spiels und des Systems verstehen und wie wichtig ihre Rolle bei der Wer- tevermittlung ist. Sie können maßgeb- lich durch ihr Coaching deeskalierend Einfl uss nehmen. Hinzu kommt, dass nach den letzten Untersuchungen im HFV statistisch ein Viertel aller Sportge- richtsurteile sich gegen Trainer*innen richten und von diesen Fällen 93 Pro- zent der Betroff enen keine Lizenz hat- ten, also häufi g möglicherweise nicht einmal genau wissen, über was sie spre- chen und wie die Regellage gerade ist. Sind die Erfahrungen aus der Pilot- phase im Kreis Off enbach also posi- tiv? Ja, das hat sich bewährt. Die Trainer*in- nen sind einfacher für die Unparteii- schen zu identifi zieren, sie kennen di- rekt ihre Ansprechpersonen. Besonders in den unteren Ligen hat man in diesem Zuge einen signifi kanten Rückgang von Sportgerichtsurteilen festgestellt. Dar- über hinaus gibt es schon eine gegen- seitige Regulierung, wenn ein*e Trai- ner*in keinen Pass trägt. Aufgrund einer entsprechenden Eintragung sind die betroff enen Trainer*innen für eine Nachschulung im Winter vorgemerkt. Wir kennen jetzt die Trainer*innen und können sie persönlich ansprechen, auch für Weiterbildungen und für In- formationen, die sie direkt betreff en. Ein Nebeneff ekt ist, dass Pädophile, die gerne im Verborgenen agieren, mögli- cherweise besser ausgeschlossen wer- den können. Was müssen die Trainer*innen dafür tun, um einen Pass zu erhalten? Die Trainer*innen müssen nur an der Schulung, die vom jeweiligen Kreis aus- geschrieben wird, teilnehmen. Dort er- halten sie die notwendigen Infos be- züglich eines respektvollen Verhaltens gegenüber Schiedsrichter*innen und weiteren Beteiligten, auch außerhalb des Spielfeldes. Respektloses Verhal- ten von Vereinsvertreter*innen zieht auch weitere Kreise, die keine positiven Folgen für den Verein haben. Coaches sind die ersten Botschafter ihres Ver- eins. Und wenn man sich bei internatio- nalen Turnieren umschaut, tragen alle Trainer*innen eine Akkreditierung zur Identifi kation, man ist also in bester Ge- sellschaft. Wie lange dauert eine solche Schu- lung? Ein gutes Spiel dauert 90 Minuten und manchmal gibt es auch eine Verlän- gerung und genauso lange dauert die Schulung. Welche weiteren Maßnahmen gibt es in dem Paket, um präventiv Ge- walt einzudämmen? Wir haben 15 neue Konfl iktmanager*in- nen geschult, mit deren Hilfe Vereine ihre Strafen reduzieren können, sofern die Sportgerichte dies in ihren Urtei- len vorgesehen haben. Die Meldung über erfolgreiche Schulungen geht ans Sportgericht, das dann dement- sprechend handelt und die Strafe an- passen kann. Die Fairplay-Beobach- ter*innen schauen sich die Atmosphäre und das Umfeld des Spiels an, dabei geht es auch um bauliche Maßnah- men. Begleitend wird ein Fragebogen ausgefüllt, der bei der Sozialstiftung landet, die die Bögen auswertet. Da- rüber hinaus hat jeder Verein fünf Si- cherheitswesten erhalten, die deutlich kenntlich machen, wer für die Sicher- heit rund um den Sportplatz verant- wortlich ist. Social-Media-Schulungen kümmern sich um Wege, um gegen Hass und Hetze vorzugehen (z.B.: https://hessengegenhetze.de/). Außer- dem liefern wir in den Schulungen noch theoretische Kenntnisse und ge- schichtliche Hintergründe zu unserem Sport; dass unsere Nationalmannschaft in den Farben schwarz/weiß spielt, ist kein Zufall. Ist schon nachgewiesen, dass diese Maßnahmen erfolgreich sind? Die Zahl der Sportgerichtsurteile habe ich bereits erwähnt und auf jeden Fall ist das Bewusstsein entstanden, dass die Verantwortung nicht nur bei einer Person liegt. Respekt ist keine Ein- bahnstraße, das sollten sich alle Be- teiligten vor Augen führen. mag; Foto: privat HESSEN-FUSSBALL 8/2022