Redaktionsgespräch | 20 legt, ob und wie ich ihn vollziehen kann. Wenn man mit viel Herzblut die Arbeit des HFV begleitet hat und über so vie- le Jahre – ohne überheblich klingen zu wollen – mitprägen durfte, dann ist das schon etwas Besonderes. Daher war es keine einfache Entscheidung, aber eine, die wohl überlegt ist. Bedeutet das, dass Sie nun mehr Freizeit haben oder ist ihre neue hauptamtliche Aufgabe so zeitinten- siv, dass sich zeitlich nichts ändert? Reuß: Bei mir hat sich entsprechend einer berufl ichen Veränderung eigent- lich nichts daran geändert, dass ich ty- pischerweise eine 70-Stunden-Woche habe. Hinzugekommen ist eben, dass ich nunmehr noch häufi ger unterwegs bin und insbesondere nur das Wochen- ende für die Familie habe. Das ist der wesentliche und auch wichtige Grund, seine Zeiten zu überprüfen und neu einzuteilen. Mehr Freizeit habe ich ganz sicherlich durch meine neue hauptamt- liche Aufgabe nicht. Denken Sie in solchen Momenten an Ihre Anfänge beim HFV? Haben Sie damals schon daran gedacht, dass Sie einmal HFV-Präsident sein könnten? Reuß: Ich denke in diesen Tagen häu- fi ger an die Anfänge beim HFV zurück. Natürlich hatte ich nie im Fokus, einmal Präsident zu werden. Für mich hat sich ein bisschen der Kreis geschlossen. Als ich vor 25 Jahren ein Modell vorstell- te, wie wir elektronisch kommunizieren könnten, wurden wir häufi g belächelt. Heute ist das typisch und mit Offi ce 365 haben wir eine Kommunikationsplatt- form innerhalb des HFV gefunden, wie wir sie damals schon angedacht haben, aber gar nicht diese technische Ent- wicklung absehen konnten. Und natür- lich denke ich an die einzelnen Statio- nen, als Pressewart und Vize-Präsident zurück und tue das durchaus mit einer gewissen Genugtuung. Welches Projekt lag Ihnen als Präsi- dent – oder auch in der Zeit davor – besonders am Herzen? Reuß: Neben der gerade geschilderten elektronischen Kommunikation habe ich von Anfang an das Thema Gesell- schaftliche Verantwortung und Fair- play betreut. Wir haben im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 unse- re Fairplay-Aktionen, Straßenfußball für Toleranz und Integration aufge- baut. Dem bin ich bis heute treu ge- blieben und stolz darauf, dass wir nun- mehr knapp 20 Jahre diese Aktionen im Interview mit Stefan Reuß: Seit dem 1. Juli ist Stefan Reuß nicht mehr Präsident des Hessischen Fußball-Ver- bandes (HFV). Er hat sich den Schritt nicht leicht gemacht, aber berufl iche Ver- pfl ichtungen stehen einem derart ausgiebigen Engagement, wie es für einen HFV-Präsidenten notwendig ist, im Wege. Im Gespräch mit dem HESSEN-FUSS- BALL erklärt er seine genauen Beweggründe, schaut auf eine jahrzehntelange bewegende Zeit innerhalb des HFV zurück und auch nach vorne. Was hat dazu geführt, dass Sie zwei Jahre vor dem nächsten Verbands- tag und ein Jahr nach Ihrer Wieder- wahl zurückgetreten sind? Stefan Reuß: Wenn man merkt, dass man nicht mehr die zeitlichen Ressour- cen hat, um mit vollem Einsatz auch für den Hessischen Fußball-Verband da sein zu können, dann muss man für sich persönlich überlegen, ob man Familie, Beruf und Ehrenamt in Einklang bringt. Leider konnte ich vor einem Jahr noch nicht absehen, dass es einen solchen zeitlichen Umfang annehmen wird. Die Herausforderungen, die der Hes- sische Fußball-Verband in den nächs- ten beiden Jahren zu bewältigen hat, sind groß. Da ich etwas richtig machen möchte und nicht nur halbherzig, blieb mir leider keine andere Wahl, als einen Rücktritt vorzunehmen. Hätte es nicht auch andere Möglich- keiten, zum Beispiel eine personelle Verstärkung des Präsidiums, gege- ben? Reuß: Wir haben ganz klare satzungs- rechtliche Vorgaben, wie unser Präsi- dium zusammengesetzt ist und wie entsprechend die Aufgaben wahrzu- nehmen sind. Ich habe in den letzten Wochen schon versucht, auch durch Delegation, mehr Aufgaben an andere Präsidiumsmitglieder abzugeben. Aber am Ende steht die Verantwortung beim Präsidenten und dafür muss ich auch gerade stehen, aber auch die notwen- dige Zeit haben. Sehr viele Menschen der hessischen Fußball-Familie bedauern diesen Schritt. Wie viele Nachrichten haben Sie nach der Veröff entlichung dieser Nachricht erhalten und wie viele Per- sonen wollten Sie umstimmen? Reuß: Ja, ich habe viele Nachrichten erhalten und mich auch sehr über jede einzelne gefreut, weil sie mir noch einmal aufgezeigt haben, dass mei- ne Arbeit, die ich in über 22 Jahren im Präsidium des Hessischen Fußball- Verbandes geleistet habe, wohl nicht so ganz verkehrt gewesen sein kann. Viele haben signalisiert, dass sie mich gerne umstimmen möchten, haben aber auch deutlich gemacht, dass sie viel Verständnis dafür haben, dass am Ende Beruf und Familie vorgehen und daher meine Entscheidung auch res- pektieren. Wie schwer fi el Ihnen nach so vielen Jahren der Abschied von der HFV- Spitze? Reuß: Natürlich ist das kein einfacher Schritt und ich habe auch lange über- HESSEN-FUSSBALL 7/2022