Schiedsrichter*innen | 28 Abenteuer Armenien: Schiedsrichterkollegen ein Fußballspiel im Ausland zu leiten. Es ist eine dieser Geschichten, die so wohl nur der Sport schreiben kann: Im No- vember pfi ff en vier Hanauer Schiedsrichter das U18-Spitzenspiel in der armeni- schen Jugendbundesliga. Für das eingeschworene Schiedsrichtergespann um Philipp Götzl-Mamba, Kevin Kuchler, Steff en Maaß und Christopher Bedikian war es nicht nur ein Fußballspiel, sondern eine Reise, die sie so schnell nicht ver- gessen werden. Doch wie kommen vier Hanauer Schiedsrichter dazu, ein U18-Spitzen- spiel in Armenien zu pfeifen? Ange- fangen hat alles diesen September in Stuttgart. Dort traf die armenische Na- tionalmannschaft um Superstar Hen- rikh Mkhitaryan und Bundesligaspieler Sargis Adamyan in der WM-Qualifi ka- tion auf das deutsche Team. Die Arme- nier landeten damals auf dem Stutt- garter Flughafen. Verantwortlich für die Abfertigung des armenischen Flug- zeugs war der Kesselstädter Christo- pher Bedikian, der als Betriebsleiter seiner Firma an fünf deutschen Flughä- fen tätig ist. Der 37-Jährige mit armeni- schen Wurzeln hatte schon lange den Traum, gemeinsam mit seinen Hanauer Bedikian hat die armenischen Kicker in Stuttgart in Empfang genommen und sich vor Ort um alles gekümmert. Im Oktober kam die Truppe erneut nach Deutschland, diesmal für ein Trai- ningslager nach Frankfurt – Kontakt- person war erneut Bedikian. „Ich bin mit den Verantwortlichen des armeni- schen Teams in Kontakt geblieben und habe ihren Flug dann auch in Frankfurt abgefertigt und ihnen einen Bus orga- nisiert. Ich habe damals die Chance er- griff en, um dem Traum, den wir hat- ten, ein Stück näherzukommen, und habe einen Brief an den Präsidenten des armenischen Fußballverbands ge- schrieben. Darin habe ich ge- fragt, ob wir vier eventuell mal ein Spiel in Armenien pfei- fen könnten. Die Bestätigung kam dann schnell und auch der DFB stimmte dem Ganzen zu“, erzählt stolz Bedikian, der eigentlich auf hessischen Fuß- ballplätzen Kreisoberligaspie- le leitet. Nur einen Monat später sa- ßen Bedikian und seine Jungs von der Schiedsrichtervereini- gung, die sich schon seit rund 20 Jahren kennen, im Flug- zeug nach Armenien. „Am Tag nach unserer Ankunft hatten wir eine Privataudienz beim Präsidenten des armenischen Fußballverbands, bevor wir dann an die Football Academy gebracht wurden, wo wir das Spiel pfeifen sollten. Das war eine hochmoderne Anlage mit acht oder neun Fußballplät- zen“, schildert der Schiedsrich- ter seine Eindrücke. Bediki- an selbst fungierte als vierter Offi zieller, ließ seinem Kolle- gen, Philipp Götzl-Mamba, als Das Hanauer Gespann: Kevin Kuchler, Philipp Götzl-Mamba, Christopher Bedikan und Ste- Foto: Götzl-Mamba fan Maaß (v.l.). HESSEN-FUSSBALL 12/2021 „Hauptschiedsrichter“ den Vortritt. Ein Erlebnis, das er so schnell nicht verges- sen wird: „Ich hatte schon vor unserer Reise richtig Lust auf das Abenteuer mit den Jungs. Dass man uns überhaupt zu- traut, so ein Spitzenspiel in der Jugend- bundesliga zu pfeifen, zeigt, welch gro- ßes Vertrauen uns entgegengebracht wurde. Und ich muss schon sagen, dass das spielerisch auf einem sehr hohen Niveau war. Kommunikationsproble- me gab es auch nicht. Denn Karten und Pfeifen sind universell. Das verstehen alle.“ Mit Spielende war für die vier Männer das „Abenteuer“ Armenien noch lange nicht vorbei: Es folgte nämlich nicht nur eine Einladung zum Abschlusstraining der armenischen Nationalmannschaft, bei dem die Spieler sich „super nahbar“ gegeben haben, sondern auch für das Spiel gegen Deutschland. Vor dem Länderspiel machte das Ha- nauer Schiedsrichtergespann, über das sogar im armenischen Fernsehen be- richtet wurde, neben Sightseeing in der armenischen Hauptstadt Jerewan noch Bekanntschaft mit einer Kuhfü- ßesuppe, einem traditionellen arme- nischen Gericht. Anschließend ging es zum Spiel, wo sie auf „Sky Sport News“- Reporter Uli Köhler trafen, der sie in einer Live-Schalte interviewte. Völlig unerwartet lud der Kit-Manager der armenischen Nationalmannschaft die vier Schiedsrichter am Abend vor ihrer Abreise zu sich nach Hause zum Abend- essen ein. „Das war eine unglaubliche Gastfreundschaft, die uns entgegen- gebracht wurde. Es wurde dick aufge- tischt und zum Abschluss hat jeder von uns noch ein Armenien-Trikot mit Na- mensbefl ockung bekommen. Ich bin so glücklich, dass die Jungs das alles mit- gemacht haben, dass ich ihnen meine Wurzeln näherbringen durfte“, meint Bedikian sichtlich gerührt. Und auch sein Freund Götzl-Mam- ba ist froh, die Reise trotz Corona-Be- denken mitgemacht zu haben: „Wir hatten in den letzten Monaten so vie- le negative Schlagzeilen, in denen die Schiedsrichter im Mittelpunkt standen, egal ob Spielabbrüche oder Angriff e auf Schiedsrichter. Das war jetzt mal ein richtig positives Erlebnis, das mir noch mal klargemacht hat, warum ich Schiedsrichter geworden bin: Weil Fuß- ball Menschen und Kulturen verbindet. Der armenische Verband hat alles super durchorganisiert, die Gastfreundschaft war gigantisch. Das sind Erlebnisse, die hat man ganz selten im Leben.“ Nils Moock (Hanauer Anzeiger)