21 | Redaktionsgespräch scheint“ vorgesungen haben sollen. Stimmt das? Ja. Ich habe eine romantische Ader und trotzdem bin ich auch zukunftsorien- tiert. Das gehört für mich dazu, sich mit solchen Dingen zu beschäftigen. Man macht hochwissenschaftliche Analy- sen, aber manchmal ist so etwas das Salz in der Suppe. Und wenn man sich als Gästetrainer ertappt, dass man die Hymne mitsummt und innerlich mit- singt, dann weiß man, dass einem das Lied gefällt. Ich hoff e, es wird oft ge- spielt, weil es meistens eingespielt wird, wenn Tore fallen. Ich bin tatsächlich ein Fan der Darmstadt-Hymne. Sie sagen, dass Sie sich hundertprozen- tig mit dem Weg des SV Darmstadt 98 auf und neben dem Platz identifi zie- ren. Was bedeutet das genau? Auf dem Platz: Dass man eine Idee hat, wie man den Fußball für Darmstadt 98 attraktiv gestalten will. Am attraktiv- sten sind natürlich Punkte und Siege. Außerhalb ist es wichtig, eine Nähe und eine Identifi kation aufzubauen: Zu den Fans und zu der Stadt Darmstadt, dass Du anfassbar bist. Das ist eine wichtige Komponente. Zu wissen, dass Du den SV Darmstadt 98 nicht nur sportlich re- präsentierst, sondern auch neben dem Platz. Mit Bodenständigkeit und Nähe, was die Fans eines Vereins verdienen. Das bringe ich defi nitiv schon immer mit. Ich sauge einen Club direkt auf, ich sauge eine Stadt direkt auf, ich sauge Fans und Schwingungen direkt auf. Das ist mir total wichtig. So habe ich Energie und brenne für die Sache. Überwiegt bei Ihnen die Vorfreude oder der Respekt vor der Stärke der 2. Fußball-Bundesliga der kommen- den Saison? Ich freue mich wirklich darauf, meine Mannschaft kennen zu lernen, den Fo- kus auf Darmstadt zu legen. Die Liga ist eine Herausforderung und dement- sprechend ist auch die Herausforde- rung, die Großen der Liga hinter sich zu lassen. Lasst uns mal die Saison begin- nen, dann sehen wir, wie sich das Gan- ze entwickelt. Sie stammen aus einer Spielergenera- tion mit Jürgen Klopp, Marco Rose und Sandro Schwarz. Gemeinsam hatten sie alle Wolfgang Frank in Mainz als Trainer. Inwieweit hat er Sie geprägt? Wolfgang Frank war eine sehr prägen- de Person für Mainz 05 und die Genera- tion, die unter ihm trainieren durfte. Bei ihm denkt man oft an Spielsystem und Ideen, aber die herausragendste Eigen- schaft, die Wolfgang hatte, war, dass er eine Mannschaft so führte wie eine Fa- milie. Das ist auch mein Anliegen. Das hat Wolfgang perfekt gemacht. Er hat jeden Spieler menschlich und persön- lich sehr respektiert, egal ob das die Nummer 1 war oder die Nummer 25 im Kader, der wenig gespielt hat. Jeder hatte das Gefühl, bei ihm eine Rolle zu spielen. Aber es gibt auch viele andere Trainer wie Kalli Feldkamp in Kaisers- lautern oder Ulli Stielike bei Waldhof Mannheim, von jedem konnte man et- was mitnehmen, auch in den U-Natio- nalmannschaften gab es Trainer, die im Kopf haften geblieben sind. Die Trainer, die es geschaff t haben, eine Einheit zu bilden, eine hohe Identifi kation aufzu- bauen, waren meistens die, die am er- folgreichsten waren. Das hat mich ge- prägt. Wie wird Ihr Trainerteam aussehen? Ich hatte lange Jahre jemanden an meiner Seite, das war bei mir Darius Scholtysik, mit dem ich auch eine ex- trem freundschaftliche Basis habe. Wir haben uns lange unterhalten und bei- de festgestellt, dass wir nun erstmal einen anderen Input suchen. Daher fi ltere ich zuerst und lerne die Men- schen hier kennen. Der Verein ist sehr gut aufgestellt, ich werde mit dem ein- oder anderen sprechen. Es könn- te auch jemand Externes dazukom- men. Aber das wird ganz in Ruhe ge- schehen. Werden Sie jungen Spieler eine Chance geben? Ich bin ein Förderer von jungen Spie- lern, wenn sie das befolgen, was ich möchte. Sie wissen, dass sie eine Chan- ce bekommen, im Profi bereich mit zu trainieren, sich zu präsentieren. Wenn sie demütig an die Sache rangehen und die Qualität da ist, bin ich ein gro- ßer Förderer von jungen Spielern. Aber Leistung spielt natürlich eine Rolle. Wir werden mit Sicherheit einen Kader vor- fi nden, der Darmstadt 98 sehr ordent- lich präsentieren wird. Wie lautet das Saisonziel nach den Plätzen 5 und 7 in den letzten beiden Jahren? Grundsätzlich ist es noch sehr früh, um eine konkrete Zielsetzung abzuge- ben. Ambitioniert zu bleiben ist gut, ein einstelliger Tabellenplatz ist auch gut. Der einzige Tabellenplatz, der total be- knackt ist als einstelliger, ist der 4. Platz. Der ist nicht erstrebenswert. mag Foto: getty images HESSEN-FUSSBALL 7/2021