redaktionsgespräch | 22 zwei verschiedene paar schuhe sind. im nachwuchsbereich würde ich eher favorisieren, dass man die spieler breit ausbildet, auf mehrere systeme vorbe- reitet, dass sie lernen, in unterschiedli- chen systemen klar zu kommen. reimöller: zuerst muss man sich fragen: was ist das spielsystem? ein spiel system ist die geometrische verteilung der spie- ler auf dem platz, also die grundord- nung, wo sich die spieler in verschiede- nen spielsituationen befi nden. mehr ist das ja nicht. im jugendfußball bilde ich grundsätze aus, wie ich mich in verschie- denen spielsituationen – unabhängig von der anordnung der spieler – verhal- te. ich muss dann verdeutlichen, welche grundsätze bei welcher spielidee an be- deutung gewinnen. da wir nicht wissen, wo und in welchem system unsere spie- ler in der zukunft fußball spielen, müs- sen wir sie fl exibel ausbilden. peter: aber trotzdem muss man sie vor einem spiel ja in eine gewisse grund- ordnung stellen und da würde ich auch den fl exiblen ansatz wählen. das heißt, wir spielen mit der c-jugend nicht das ganze jahr das gleiche system, sondern viele verschiedene, um bestimmte din- ge zu akzentuieren. wenn ich sehe, dass es im senioren- bereich defi zite gibt, zum beispiel bei außenverteidigern, äußeren mittelfeld- spielern, oder mir fehlen spieler, die dribbeln: dann muss ich auch in diesen altersstufen die spieler auf dem platz in eine grundordnung bringen, dass die auch dribbeln und eins-gegen-eins spielen können. da besetze ich den flü- gel vielleicht auch mal doppelt und for- dere das auch ein. reimöller: das haben wir auch bei den stützpunkten so festgelegt, dass ein solches spielsystem gespielt werden ralf peter an der ralf peter an der taktiktafel. taktiktafel. musste bei den vergleichsspielen, weil wir viele eins-gegen-eins-situationen provozieren wollten. das war dann auch der eff ekt. dirk reimöller am dirk reimöller am trainingsplatz. trainingsplatz. was denken sie, ist der richtige weg: dass der verein eine spielweise bzw. ein system vorgibt und sich danach trainer und spieler ausrichten müssen, dass das bevorzugte system des sport- vorstandes oder trainers zum tragen kommt oder die spielweise je nach qualität/verfassung der spieler abge- stimmt wird? reimöller: es ist gut, wenn ein club aus dem nachwuchs heraus eine einheit- liche spielphilosophie vermittelt, vor dem hintergrund einer variablen aus- bildung der spieler mit unterschied- lichen spielideen und -systemen. die spielidee ist wichtig, philosophie ist wichtig und die variable anwendung von grundsätzen und systemen ist wichtig. ein einziges spielsystem macht die spieler relativ eindimensional. peter: die spieler von ajax amsterdam hatten teilweise bei anderen vereinen probleme, weil alles auf 3-4-3 ausgerich- tet ist, wie das system der profi s oben. ich habe mir das 1996 angeschaut: die kleinsten haben schon die laufwege von oben geübt. das hatte natürlich den vorteil, dass der spieler, wenn er in die erste mannschaft kam, die laufwe- ge schon kannte. aber wenn spieler zu einem anderen verein gegangen sind, hatten viele probleme. ich weiß das auch von niederländischen national- trainern, die das auch kritisch gesehen haben, dass man gerade in den jünge- ren jahren schon alles in die richtung bringt. wenn die zweite mannschaft und vielleicht auch die u19 das gleiche system wie die profi s spielen, kann ich damit leben, so dass sich ein spieler, der hochgezogen wird, schnell orientieren kann. aber in den altersstufen darunter muss das unabhängig von der ersten mannschaft sein. eine vereinsphilo- sophie fi nde ich klasse, die sollte man auch haben, aber nicht so starr auf die erste mannschaft bezogen. haben sie ein lieblingssystem? reimöller: ich hab ganz viele lieblings- systeme und zwar immer für die situa- tionen, in denen ich gerade bin. wenn ich jetzt ins elfer-feld komme in der c-jugend, dann ist es nicht schlecht, wenn ich eine möglichst geometrische verteilung der spieler auf dem platz habe. ein spiel mit drei spitzen fi nde ich in diesem fall gut und eine gleich- mäßige aufteilung. eine art 4-2-1-3. für eine andere situation, wenn ich aufs neuner-feld gehe, würde ich mir auch überlegen, wie ich die spieler am bes- ten auf dem platz verteile. in der aus- bildung muss man überlegen, wie man das am besten macht, um seine trai- ningsziele zu erreichen. wenn ich jetzt an einfachheit denke: das 4-2-3-1 ist ein ganz einfaches system, in dem man ganz leicht aufgaben erklären kann. peter: ich bin da auch sehr fl exibel. jedes system hat seine stärken und schwä- chen. aber jedes system lebt von den stärken der spieler. deswegen muss ich sehen, welche spieler ich habe. wenn ich viele gute zentrale spieler habe, dann spiele ich ein zentrales system, zum beispiel raute. wenn ich auf den außenbahnen wie bayern münchen robben und ribery in bestform habe, besetze ich die flügel. im nachwuchs- bereich sehe ich es wie dirk, dass man da mit drei spitzen arbeitet bis zu einem gewissen alter, um bestimmte dinge zu akzentuieren, aber im erwachsenen- bereich spielen für mich die spieler die entscheidende rolle. inwiefern sollte sich die taktik nach dem gegner richten? peter: da muss man einen guten spagat fi nden: ich würde nicht die taktik kom- plett am gegner ausrichten und jedes mal das system ändern. aber ich wür- de schon schauen, dass ich die stärken und schwächen des gegners in meine überlegungen einbeziehe. ein system gegen den ball kann man ja auch vari- ieren. das muss ja nicht heißen, dass ich mich komplett dem gegner unterwer- fe. aber es wäre fahrlässig, wenn man das nicht macht, wenn man die stärken und schwächen des gegners kennt. hessen-fussball 11/2017