Unpünktlichkeit. Wer eine Entschuldi- gung murmelt, bekommt zu hören: „Ein Trainer entschuldigt sich nicht, ein Trai- ner bittet um Verständnis.“ Wieder so ein Einzeiler, der sich einprägt. Nur in der Gruppe funktioniert’s Ein guter Lehrgang funktioniert, klar, nur mit einer guten Gruppe. Und diese Gruppe ist einfach großartig. Fußbal- lerisch nicht fi ligran, zugegeben, aber wissbegierig, fl eißig und menschlich sehr angenehm. Alle begegnen sich auf Augenhöhe, vom 16-jährigen Nesthäk- chen bis zu unseren beiden 46-jährigen Alterspräsidenten, ob Spitzenreiter der Verbandsliga oder Abstiegskandidat in der Kreisliga, ob Männer-, Frauen- oder Jugendtrainer. In der Kneipe der Sport- schule wird an den Fußball-TV-Aben- den weiter gefachsimpelt und selbst- verständlich viel gelacht. Fußball soll, Fußball muss Spaß machen. Ich lerne einzigartige Charaktere kennen und schätzen: Dominik, den verrückten Klärwärter aus dem Oden- wald. Mo, der mehr Cola trinken kann als jeder andere mir bekannte Mensch. Mario, der mich mit seinen liebe- voll-motivierenden Worten („Du bist ja so schlecht“) zu Höchstleistungen als Aushilfstorwart treibt. Oder Mehmet, der sich am ersten Tag mit todernster Miene als „Weltbekannter“ vorstellt und diesen Titel bis heute bei uns trägt. Und natürlich all die anderen, jeder auf seine Art eine Bereicherung für den Kurs. Anfangs habe ich mit den Augen gerollt, als ich die B-Lizenz in Angriff genommen habe. Der Zeitaufwand ist nicht ohne, gerade für Berufstätige und Familienväter. Doch nach zwei Wochen Basiswissen ist klar: Es macht Sinn und lohnt sich – auch wenn noch zwei weite- re Wochen inklusive Prüfungen warten. Text & Foto: Jochen Breideband Ausbilder Dirk Reimöller: Hart, aber herzlich. 17 | Qualifi zierung Mein Weg zur B-Lizenz: Von wegen Streichelzoo Trainer sollen sich weiterbilden, Trainer sollen sich qualifi zieren, Trainer sollen ihre Lizenzen machen. Wie geht das genau? Was müssen sie dafür tun? Was erwartet sie? FUSSBALL.DE-Redakteur Jochen Breideband ist seit Januar 2011 Trainer der Kreisoberliga-Mannschaft seines Heimatvereins FC Germania 09 Niederrodenbach. Er hat gerade die B-Lizenz gemacht und schildert seinen Weg zum Abschluss. Heute Teil zwei: der zweiwöchige Lehrgang Basiswissen. „Ich werde euch fordern, ich werde bohren, ich werde euch unterbrechen, und ja, ich werde euch nerven. Aber denkt daran: Im Vergleich zum wahren Trainerleben ist das hier Streichelzoo.“ Gestatten, Dirk Reimöller, Verbands- sportlehrer des Hessischen Fußball-Ver- bandes, Leiter des Lehrgangs Basiswis- sen und damit mein Ausbilder. Streichelzoo heißt: Zwei Wochen lang von Montag bis Freitag Fußball, Fuß- ball, Fußball. Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends. Zweimal Theorie und zweimal Praxis täglich, nach dem Abendessen nochmal allgemeine The- men wie Trainingslehre, Sporternährung und Konfl iktvermeidung oder Arbeit in Kleingruppen. Die fußballspezifi schen Inhalte werden von den Lehrgangsteil- nehmern gemeinsam vorbereitet, auf- bereitet und nachbereitet. Frontalunter- richt gibt’s kaum. Reimöller hält es wie in der Praxis: Er spielt den Coach, fordert Initiative und Eigenverantwortung, kor- rigiert, tadelt, gibt Tipps, lenkt die Dinge in die richtige Richtung. Seine Prognose zu Beginn: „Nach zwei Tagen denkt ihr, ihr habt überhaupt keine Ahnung vom Fußball.“ Er behält Recht – ebenso wie mit dem beruhigenden Zusatz: „Das legt sich. Am Ende seid ihr mehr als einen Schritt weiter.“ Wer aus dem Amateurbereich kommt, für den ist es selbst als Fußball- verrückter eine gewaltige Umstellung, sich rund um die Uhr fachlich mit Fuß- ball zu beschäftigen, seinen Lieblings- sport derart in Einzelteile zu zerlegen und zu sezieren, jede Technik, jede Entscheidung, jede Meinung, ja, jede Formulierung zu hinterfragen. Wem ist schon bewusst, dass man anderen viel zu oft sagt, was man nicht will. „Sagt euren Spielern lieber, was ihr wollt, nur das bleibt hängen“, sagt Reimöller. Es ist ein Rat, der sich fest im Ge- dächtnis einbrennt – ähnlich wie die Vorgabe, im Training strengstens me- thodisch zu denken, also: Vom Leichten zum Schweren, vom Einfachen zum Komplexen, vom Bekannten zum Unbe- kannten. Klingt einleuchtend, nahezu banal, aber wer setzt es tatsächlich kon- sequent um? Gerade Trainer tun sich schwer damit, weil sie so viele Ideen auf einmal haben, manches voraussetzen, was vielleicht nicht vorauszusetzen ist oder schlicht zu kompliziert denken. Trainingserfahrungen mit Götze, Neuer und Draxler Unser Lehrgangsleiter ist ein Mann mit viel Erfahrung. Er war Verbandstrainer in Westfalen, hat beim FC Schalke 04 die U17 und beim MSV Duisburg die U19 trainiert. Er hat mit späteren Natio- nalspielern wie Manuel Neuer, Julian Draxler und Mario Götze gearbeitet. Reimöller weiß also, von was er spricht – und das merkt man. Die Einheit meiner Kleingruppe zur Einführung der Vierer- kette sind die bislang anstrengendsten 90 Minuten meines relativ jungen Trai- nerlebens – Streichelzoo der heftigen Sorte. Ständig wird angehalten, nach- gefragt, probiert, optimiert. Ein anderer Kollege bekommt an einem anderen Tag zu hören: „Thema leider verfehlt.“ Die Kritik kommt an, ist nie persönlich. Gegenargumente werden gehört, nicht abgebügelt. Hart, aber herzlich – die Mischung passt. Alle fühlen sich gut aufgehoben. Denn: Alle wollen lernen und bessere Trainer werden. Als ich in der ersten Woche die Prä- sentation zum Thema Koordination damit eröff ne, dass ich einem Kollegen einen Apfel zuwerfe, den er theoretisch fangen soll, der aber praktisch knapp an seinem Kopf vorbeifl iegt und an die Wand klatscht, holt mir der Chef für weitere Demonstrationen einen kleinen Stoff ball. Dazu gibt es den Hinweis: „Ein Trainer sollte Vorbild sein, darum lieber nicht mit Lebensmitteln hantieren.“ Er sagt es mit einem Schmun- zeln. Sauer wird Reimöller selten, etwa, als einer der Lizenzanwär- ter in den ersten Tagen ernsthaft behauptet, dass Manuel Neuer gar nicht so überragend sei. „Ich weiß nicht, wie du das bisher fun- diert beurteilen willst“, lautet der Konter. Rüff el gibt es auch bei HESSEN-FUSSBALL 8/2018