Newsletter des Landessportbundes Hessen: Verkehrssicherungspflicht

11. Oktober 2012 · Service/Qualifizierung · von: Sebastian Fink

Wer ein Grundstück oder ein Gebäude anderen Personen (Dritten) gegenüber zugänglich macht (oder machen muss), ist nach geltender Rechtsprechung verpflichtet, dafür zu sorgen, dass diese Personen keine Schäden durch vorhersehbare Gefahren erleiden. Dies ist die sog. Verkehrssicherungspflicht. Sie gilt zwar generell, es müssen aber nur diejenigen Gefahren ausgeräumt werden, die dem sorgfältigen Benutzer nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht rechtzeitig einzustellen vermag (OLG Köln - 6 U 87/84 - 09.01.85).

Vor solchen Gefahren muss der Verkehrssicherungspflichtige gegebenenfalls auch warnen. Selbstverständlich kann nicht erwartet werden, dass mögliche Gefahrenquellen gegen alle auch nur entfernt denkbaren Schadenfälle abgesichert werden. Es müssen aber alle notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen gegen voraussehbare Gefahren getroffen werden, die bei bestimmungsgemäßer Benutzung eintreten können.

Einen allgemein gültigen Maßstab für die Sorgfaltsanforderungen gibt es nicht. Es kommt an auf die Intensität der Gefährdung, die Wahrscheinlichkeit eines Schadeneintritts, die Möglichkeit und Kosten einer Schadensverhütung oder -verminderung, aber auch die Verkehrserwartungen und die Möglichkeit des Gefährdeten, der Gefahr auszuweichen.

Die Verkehrssicherungspflicht betrifft auch und in besonderem Maße die Sportvereine, deren Vereinsabläufe dadurch gekennzeichnet sind, dass ihre Einrichtungen üblicherweise auch der Öffentlichkeit zugänglich sind. Diese Tatsache gewinnt besonders im Zusammenhang mit der Übernahme von Sportstätten durch Schlüssel- bzw. Überlassungs-verträge an Bedeutung. In diesen Verträgen wird häufig die Haftung aus dem Betrieb und der Nutzung der Sportstätte den Vereinen übertragen. Daraus ergibt sich wiederum die Verkehrssicherungspflicht. Einem Sportverein obliegt auch gegenüber seinen Mitgliedern eine Verkehrssicherungspflicht. Er kann die Haftung aber durch eine geeignete Klausel in der Satzung ausschließen. Auf diesen Ausschluss kann sich der Verein nicht nur gegenüber seinen Mitgliedern, sondern z.B. auch gegenüber dem Arbeitgeber eines Mitglieds berufen, welcher nach einem Unfall Schadensersatz für die geleistete Entgeltfortzahlung verlangt. Zwar kann ein Verein die sich aus § 31 BGB ergebende Haftung nicht grundsätzlich ausschließen, dies gilt jedoch nur im Verhältnis zu Dritten (Nichtmitgliedern). Eine Berufung auf die Haftungsausschlussklausel würde in der Regel daran scheitern, dass diese dem Dritten gar nicht bekannt gemacht worden war.

Das Landgericht Karlsruhe hat entschieden, dass es nicht gegen Treu und Glauben verstößt, wenn der Verein das mit der Benutzung seiner Sportanlage verbundene Risiko den Mitgliedern aufbürdet. Wer unter diesen Voraussetzungen nicht Sport treiben will, kann bzw. muss dies dann eben außerhalb der vom Verein gebotenen Möglichkeiten tun (LG 30.12.1986 - 11 0 313/86). Die Verkehrssicherungspflicht konkretisiert sich unter anderem in der Streu-, Reinigungs- und Räumpflicht, der Pflicht, für ausreichende Beleuchtung von Fluren, Treppen und Gehwegen zu sorgen, der Zustandskontrolle von Bäumen (Ästen) und Sträuchern oder der Pflicht zur Absicherung von Baustellen. Grund-sätzlich besteht die Verkehrssicherungspflicht nicht gegenüber Personen, die sich unbefugt auf einem Grundstück (Sportstätte) befinden oder sich auf dieses begeben. Gegenüber Kindern erfährt dieser Grundsatz allerdings eine Einschränkung. Bei diesen ist deren Spieltrieb, Unerfahrenheit, Bewegungsdrang und Neugier zu berücksichtigen. Der Verkehrssicherungspflichtige muss sich diese Einschränkung jedoch nur vorhalten lassen, wenn bekannt ist oder bekannt sein muss, dass Kinder trotz eines ausgesprochenen Verbots ein Grundstück zum Beispiel zum Spielen betreten – also auch, wenn sie über den Zaun steigen.

Festzuhalten ist, dass eine Gefahr, mit deren Eintritt vernünftigerweise nicht zur rechnen ist, keine Abwehr-maßnahmen erfordert. Kommt es in derartigen Fällen zu einem Schaden, so muss der Geschädigte seinen Schaden selbst tragen, auch wenn dies im Einzelfall hart erscheinen mag. Er hat zwar ein „Unglück“ erlitten, kann dem Schädiger aber kein „Unrecht“ vorhalten.