Hessin Lea Schneider im Interview: „Ist es wahr? Sind wir wirklich Europameister?“

20. Mai 2017 · Frauen und Juniorinnen · von: Saskia Matheis

Die 16-jährige Lea Schneider von der TSG Lütter hat ihren Traum gelebt, als sie mit der U17-Juniorinnen Nationalmannschaft zur Europameisterschaft in die Tschechische Republik geflogen ist. Als einzige Hessin ergänzte die junge Stürmerin das 18-köpfige Team von Trainerin Anouschka Bernhardt, nachdem eine Spielerin ausgefallen war. Deutschland ist als großer Favorit und Titelverteidiger angereist und konnte seinen Erwartungen gerecht werden. HFV-Auszubildende Saskia Matheis, U17-Europameisterin von 2013, hat mit der aktuelle Titelträgerin gesprochen.

Lea Schneider (re.) freut sich über Ihre Goldmedaille. Foto: getty images

Du hast schon einige U-Länderspiele absolviert, aber das war jetzt dein erstes großes Turnier! Warst du dir zuvor sicher, dass du mit nach Tschechien fliegst und wie hast du reagiert, als du die Einladung erhalten hast?
Nein, ich war sehr unsicher und als ich die Einladung erhalten habe, stand ich auch erst auf Abruf und dachte mein Traum wäre geplatzt. Als ich dann einen Anruf erhielt, dass sich eine Spielerin verletzt habe und ich nach reisen solle, war mir etwas mulmig. Ich habe das gar nicht realisiert und war mir zuerst auch nicht sicher, ob ich nach Tschechien zur Europameisterschaft fliegen soll. Ich hatte viele Arbeiten zu schreiben und musste erst einmal mit der Schule absprechen, ob es überhaupt möglich ist. Mein Lehrer sagte dann zu mir es wäre eine einmalige Gelegenheit und ich solle sie nutzen, das mit der Schule würde schon klappen. Im Endeffekt habe ich nicht bereut, dass ich zur EM geflogen bin, obwohl ich jetzt im Nachgang fast jeden zweiten Tag Arbeiten schreiben muss.

Mit welchen Erwartungen bist du zur EM gefahren?
Eigentlich hatte ich keine großen Erwartungen. Ich hatte keine Ahnung, wie so etwas abläuft, denn es war ja keine normale Länderspielreise. Ich war sehr angespannt und die Vorfreude war groß, gerade weil man wusste es geht um was, man kann einen Titel gewinnen.

Als einzige Hessin, wie fühlt man sich da?
Ich kannte die Spielerinnen ja bereits von vorherigen Lehrgängen, da spielt es keine Rolle aus welchem Bundesland man kommt. Ich kam dort an und wurde herzlich empfangen und direkt integriert. Ich habe mich sofort wohlgefühlt.

Wie war die Stimmung im Team vor dem ersten Spiel und während des Turniers?
Vor dem ersten Spiel waren wir schon sehr angespannt, gerade weil wir auch noch gegen unseren Rivalen Spanien antreten mussten, aber sobald das geschafft war, wurde es lockerer. Es war eine klasse Stimmung im Team und wir hatten sehr viel Spaß.

Du hast ja leider sehr wenige Einsatzzeiten gehabt, doch dann wurdest du im dritten Gruppenspiel gegen den Gastgeber eingewechselt und schießt kurz darauf auch noch ein Tor! Wie ist das Tor gefallen und wie hast du dich dabei gefühlt?
Eine Mitspielerin setzte sich auf den Außen durch und flankte in den Strafraum. Ich lauerte im Rückraum. Die Tschechischen Spielerinnen wollten den Ball mit dem Kopf klären, doch er landete direkt bei mir. Ich weiß gar nicht mehr genau wie das passiert ist, aber ich habe den Ball irgendwie mit dem Bauch angenommen und dann mit links geschossen. Überraschenderweise landete er im Tor. Ich wusste gar nicht wie ich mich freuen soll und ob das jetzt Realität ist. Das waren so viele Emotionen auf einmal, komisch und trotzdem geil zu gleich.

Du konntest in den 14 Minuten Spielzeit zeigen was du kannst, trotzdem wurdest du danach nicht wieder eingesetzt. Bist du enttäuscht, dass du nur eine so kurze Einsatzzeit bekommen hast?
Nein, überhaupt nicht! Ich war einfach glücklich dabei zu sein und froh darüber, dass ich die Chance in diesem Spiel bekam. Ich konnte der Trainerin zeigen, was ich kann und welches Potenzial ich habe. Dann zählte es nur noch den Titel zu holen, egal wer auf dem Platz steht!

Wie erlebt man die Europameisterschaft neben den Platz? Was habt ihr in eurer Freizeit unternommen?
Wenn wir nicht gerade trainiert haben, oder uns auf die Spiele vorbereitet haben, hatten wir Unterricht. Es waren zwei Lehrkräfte dabei, mit denen wir für unsere Arbeiten in den Schulen lernen oder auch vor Ort Arbeiten schreiben konnten. Abends oder an freien Nachmittagen sind wir gerne in die Players-Lounge gegangen. Das war ein großer Raum, in dem eine Tischtennisplatte, eine Playstation und ein Fußball-Billardtisch standen. Es war schön mal etwas anderes zu machen und abzuschalten. Wir haben uns auch mit anderen Nationen unterhalten und gegeneinander gespielt, das war schon gut.

Dann war es soweit, Finale! Wie hast du die letzten Spielminuten und dann das Elfmeterschießen erlebt?
Also als die Spanierinnen in den letzten Spielminuten noch mal Druck gemacht haben war ich echt froh, dass dann der Abpfiff kam. Ich wusste, was wir können, wenn wir ins Elfmeterschießen kommen und auch wie gut unsere Torfrau ist. Wir hatten Elfmeterschießen auch im Training vor dem Finale geübt, von daher waren wir vorbereitet. Es war aber sehr nervenaufreibend das alles von der Seitenlinie zu beobachten, gerade wenn man nicht direkt eingreifen kann. Ich war für mein Team eine emotionale Stütze, indem ich meine Mitspielerinnen immer wieder aufgebaut und ihnen Mut gemacht habe. Als dann der entscheidende Schuss kam und die Schiedsrichterin endgültig abpfiff war ich sehr erleichtert. Ich konnte es trotzdem noch nicht wirklich realisieren. Ich habe meine Mitspielerinnen immer wieder gefragt: „Ist das wahr? Sind wir Europameister?“. Ein Traum ist wahr geworden und das Ganze dann noch mit mitgereisten Fans und Familien zu feiern war unbeschreiblich.

Was nimmst du von der EM mit?
Wenn ich eins gelernt habe, dann dass man nie aufgeben sollte, egal wie der Spielstand ist, denn als Team kann man alles erreichen, wenn man zusammen hält. Man sollte immer an sich glauben.