"Drei Stunden sind okay, zehn Stunden nicht"

22. April 2015 · Masterplan

Die Zielgruppe ist definiert, die Botschaft formuliert. Hink spricht von der "Viererkette des Ehrenamts" – zu der zählen vier unterscheidbare Aufgaben, denen sich Fußballvereine widmen. Und die, jede für sich, zeitgemäß gestaltet werden muss. Gewinnen, Qualifizieren, Binden und Verabschieden: so stellt sich diese Viererkette auf. Beim "Gewinnen" zeigen Forschung wie auch praktische Erfahrung, dass die direkte Ansprache am wirksamsten funktioniert. Für über 70 Prozent neuer ehrenamtlicher Mitarbeiter war die persönliche Einladung ausschlaggebend. Kommunikative Maßnahmen wie Anzeigen, TV-Spots oder mediale Berichterstattung bewegen fast niemanden dazu, ab morgen bei seinem Heimatverein einzusteigen. Die Wirkung ist bestenfalls vorbereitend.

Der zweite Akteur in der Viererkette, die Qualifizierung, spielt eine zentrale Rolle. Wolfgang Möbius, fürs Ehrenamt verantwortlicher Abteilungsleiter des DFB, betont: "Ehrenamt verstehen wir heute viel mehr als Mitarbeiterentwicklung. Es ist doch längst kein vererbtes Verhalten mehr, dass jemand sich über Jahrzehnte für seinen Verein aufopfert. Diese Heimatbindung hat einfach nachgelassen, heute müssen die Vereine mehr individuelle Anreize schaffen. Und wenn die ehrenamtliche Arbeit das Gerüst des Fußballs in Deutschland ist, dann sollten wir das Ehrenamt als Mitarbeiterentwicklung verstehen." Unter Binden fällt auch die Ehrungskultur, also die Wertschätzung für Menschen, die unentgeltlich für ihren Verein arbeiten. Hundert ausgewählte Ehrenamtler werden etwa jedes Jahr in den "Club 100" zu einem Länderspiel der Nationalmannschaft eingeladen. Mit der im Herbst auf www.fussball.de startenden Kampagne "Fußballhelden" will man speziell jüngere Fußballerinnen und Fußballer ansprechen. Möbius: "Wir müssen die talentierten jungen Ehrenamtlichen unter 30 Jahren stark machen." Gleichzeitig will der DFB den Ausstieg älterer Ehrenamtler besser begleiten.

Technologischer Fortschritt hilft Schwund aufzufangen

Die Holländerin Marielle Splinter ist eine Fachfrau für das Ehrenamt im Sport. Schon in ihrer Heimat organisierte sie erste Projekte, dann unterschrieb die ehemalige Eisschnellläuferin beim Schweizer Fußballverband und entwickelte gemeinsam mit dem Institut für Sportwissenschaften der Universität Bern die Kampagne "Mehr Freiwillige im Fußball". Sie erzielte Rekordergebnisse. Mit Splinters Methode fanden die Vereine plötzliche ehrenamtliche Helfer. Ein Jahr danach waren noch 93 Prozent der Stellen besetzt. Splinter sagt: "Man muss Aufgaben aufteilen. Viele können sich vorstellen drei Stunden in der Woche für ihren Verein aktiv zu sein, aber eben nicht zehn. Die Erstansprache muss ehrlich sein, dabei empfiehlt es sich positiv zu reden. Es geht um den persönlichen Gewinn für den zukünftigen Ehrenamtler, nicht um die Notlage des Vereins. Man muss Begeisterung wecken, den Wunsch, auch zu dieser Gruppe gehören zu wollen."

Nicht zuletzt dank einer durch den DFB angeschobenen technologischen Evolution verkraftet es der Fußball, dass die Vorstände heute dünner besetzt sind. Die Spielberechtigung, der Vereinswechsel, die Ergebnisübermittlung – alles funktioniert heute per Mausklick. Und auch sonst sollen die Vereine bei der zeitgemäßen Gewinnung, Qualifizierung, Bindung und Verabschiedung von ehrenamtlichen Funktionsträgern unterstützt werden. Die dreitägige Tagung in Kamen-Kaiserau versteht Willi Hink auch als Signal, die Bemühungen um das Ehrenamt auch in Europa weiter zu verstärken. "Wir wollen einen Impuls an die UEFA senden." Denn auch in den anderen Nationalverbänden, gerade in den Niederlanden, entwickelt man neue Ansätze zum Ehrenamt. Aber nirgendwo ist man so weit wie in Deutschland.

Die neuen Ideen kommen genau zur rechten Zeit. Und bei allem Drang zum Neuen, ist das wohl keine neue Erkenntnis. Schon 400 Jahre vor Christi wusste der griechische Philosoph Platon: "Die Notwendigkeit ist die Mutter der Erfindung."